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Kuss der Sünde (German Edition)

Kuss der Sünde (German Edition)

Titel: Kuss der Sünde (German Edition)
Autoren: Lara Wegner
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vor die Lippen hielt und geziert gähnte. Dies gepaart mit einem Blick aus himmelblauen A u gen, der die große Schwester der Lächerlichkeit bezichtigte. Unterdessen set z te die Marquise ihre Belehrung fort.
    „Eine Ehe ist das weitaus kleinere Übel. Du schenkst deinem Gemahl zwei oder drei hübsche Kinder, und danach sind dir alle Freiheiten gewährt.“ Sie hob den Zeigefinger. „In aller Diskretion, versteht sich.“
    Zunehmend aus der Fassung gebracht, starrte Viviane auf den Zeigefinger ihrer Mutter, an dem der lange Nagel perlmuttweiß schimmerte. Diese Ei n stellung barg exakt jene Fallstricke, denen sie auszuweichen suchte. Eine Unze mehr Ernsthaftigkeit und Strenge hätte ihr etliche Peinlichkeiten erspart. Aber so …
    Juliette plapperte in ihre Gedanken hinein. „Und wenn dein Gemahl alt g e nug ist, wirst du mit etwas Fortune frühzeitig Witwe und kannst dich vergn ü gen.“
    „ S o ist es“, stimmte Marianne zu. Ihr dünner Morgenrock bauschte sich, als sie sich erhob und ein M al um sich selbst drehte. Sie nutzte den Schwung ihrer Bewegung, um Juliette den Kopf zu tätscheln.
    „Weder gedenke ich einen Jüngling noch einen Greis zu ehelichen“, pres s te Viviane hervor und senkte die Stimme. „Sie wissen genau, wohin das führen würde, Maman.“
    Kurz blinzelte ihre Mutter. Dann straffte sie die Schultern und hob das Kinn. „Was ist mit deiner Tanzstunde, Juliette, sollte sie nicht längst begi n nen?“
    Sofort sprang Juliette auf. „Ja, Maman, das hätte ich beinahe vergessen.“
    Ein Fingerschnippen schickte auch Minette vor die Tür. Nachdem die Schritte der beiden verklungen waren, winkte sie Viviane zu sich. „Meine Li e be, über die Abstammung deines Vaters kann dich die Ahnengalerie im zwe i ten Stock aufklären, doch du bist nicht nur ein Teil der Pompinelles, sondern auch ein Teil meiner Familie und ihrer Tradition. Ich möchte dir etwas ze i gen.“
    Ihr blieb nichts anderes übrig, als dem wehenden Morgenrock ihrer Mutter in das angrenzende Schlafzimmer zu folgen. Die Federbetten lagen in einem dicken Wust am Fußende des Bettes. Eine schneeweiße Katze mit langem Fell hatte sich auf einem der Kissen zusammengerollt und blinzelte sie aus orang e roten Augen an.
    Vor dem Bett wirbelte Marianne herum und wies auf die gegenüberliegende Wand. „Hier siehst du die Wurzeln der Familie Kerouac.“
    Das Gemälde beherrschte die weiß getünchte Wand, ein wildes Farbenspiel aus allen Schattierungen von Grün, Gelb und Herbstrot. Es war bombastisch und wunderschön. Während Viviane auf einen Fleck des Gemäldes blickte, schien sich der Rest zu bewegen. Sie glaubte beinahe , das Rauschen von Blä t tern zu hören, und brauchte eine Weile, um die winzigen Vögel, die Schnauze eines Fuchses, die Blume eines Hasen zwischen den Stämmen zu erkennen.
    „Ein Wald?“, entfuhr es ihr.
    „Nicht irgendein Wald, sondern der Wald von Brocéliande. Wir sind Nac h fahren der Herrin vom See, der schönen Viviane, deren Namen du trägst.“ Die weiche Hand ihrer Mutter berührte ihre Wange. „Die Sorgen um deine Zukunft sind unbegründet. Für uns gelten die Konventionen der Gesellschaft wenig. Wir sind anders, gesegnet mit besonderen Gaben. Deine Neigungen zu leugnen, ihnen gar zuwiderzuhandeln , kann dir eines Tages große Probleme bereiten. Nur indem du ihnen nachgibst, behältst du sie unter Kontrolle. Das habe ich dir immer gesagt. Ich hoffte, auf dem Gut meiner Mutter, in der Nähe des Waldes, würdest du es besser verstehen.“
    Brocéliande. Ihr Blick schweifte erneut über das pompöse Ölgemälde. Sie erinnerte sich wieder an die Geschichten, die ihre Mutter hin und wieder e r zählt hatte. Über Feen und Elfen und einem Zauberwald mit magischen Que l len. Märchen für ein kleines Mädchen. Sie war ihnen längst entwachsen und hatte ihn selbst gesehen, jenen Wald, den Maman Brocéliande nannte. Paimpont hieß er, und so viele zauberhafte Stellen und Quellen es darin gab, Feen waren ihr dort nie begegnet.
    „Meinen Neigungen nachzugeben hieße, jeglichen Anstand zu vergessen, Maman“, gab sie nach einer Weile zurück.
    Mit dem Gleichmut einer Grande Dame, die weit über der Kritik aus der Gesellschaft stand, zuckte die Marquise mit den Schultern und tätschelte ihr die Wange. „Für eine Kerouac gelten in allem andere Maßstäbe, Liebes, aber genug davon. Du solltest dich zu der Tanzstunde deiner Schwestern gesellen und ein wenig üben. Ich muss mich ankleiden.“
     
    Zwei Stunden
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