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Kuss der Sünde (German Edition)

Kuss der Sünde (German Edition)

Titel: Kuss der Sünde (German Edition)
Autoren: Lara Wegner
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Wochen vergingen und nichts geschah, sodass das Schaben an der Hauswand, das mitten in der Nacht an ihr Ohr drang, ihr vorkam wie eine weitere Täuschung, ausgelöst von einer Seh n sucht, die täglich stärker geworden war.
    Sie drehte sich auf den Rücken und spitzte die Ohren. Ein Irrtum war au s geschlossen. Da war es wieder . Direkt unter ihrem Fenster. Sie schlug die Augen auf und beobachtete die Vorhänge. Ihre Bewegung konnte von der nächtlichen Brise rühren oder von einer behutsamen Hand. Das Rascheln des Vorhangstoffs verriet den Eindringling. Mondlicht strömte zwischen dem Spalt der Samtstores herein, ein große r Schemen badete darin, ehe sich der Spalt wieder schloss und die Finsternis undurchdringlich wurde. Eine Diele knarrte verräterisch.
    Es blieb ausreichend Zeit, den Arm auszustrecken, die Kerze aus ihrem niedrigen Ständer zu heben und mit der Fingerspitze den spitzen Metalldorn am Eisen zu prüfen. Ausgezeichnet . Ihre Bewegungen waren von derselben Lautlosigkeit, die der Eindringling an den Tag legte, während er auf das Bett zukam. Sie ahnte seine Annäherung und wartete. Er musste jetzt direkt neben dem Bett angekommen sein. Zeitgleich atmeten sie ein und aus. Viviane spit z te unter ihren Wimpern hervor, und im gleichen Augenblick beugte er sich über sie.
    „Erstaunlich, dass du bestimmte Eigenheiten einfach nicht ablegen kannst“, sagte sie und drückte den Metalldorn des Kerzenständers leicht an seine Ke h le.
    Hart stieß er den Atem aus. Er streifte warm über ihr Gesicht. „Dann haben wir ja etwas gemeinsam.“
    Er war es. Seine Stimme hätte sie überall erkannt. Sein leises Lachen gesellte sich dazu. Ungeachtet des Metalldorns, der sich gegen seine Kehle drückte, beugte er sich tiefer.
    „Langsam, Monsieur. Ich könnte Ihnen sonst den Hals durchbohren, weil Sie mir überaus verhasst geworden sind .“
    „Was kümmert mich noch mein Hals, nachdem du mir das Herz durc h bohrt hast?“, antwortete er und schob sacht ihre Hand beiseite, die den silbe r nen Kerzenständer hielt.
    Sie ließ es geschehen. Ihr Arm fiel zur Seite.
    „Hast du auf mich gewartet?“, fragte er dicht an ihren Lippen.
    „Nein.“
    „Gut.“
    Jede weitere Erwiderung wurde hinfällig. Sein Mund schmiegte sich an ihre Lippen. Monatelang hatte sie darauf gewartet, auf diesen einen, alles erkläre n den, alles heilenden Kuss. Es war, als hätten sie sich nie zuvor geküsst, und gleichwohl war es ein Kuss, der nahtlos an die Intimität anschloss, die sie mit ihm geteilt hatte. Die Zeit, die dazwischen lag, schrumpfte zur Nichtigkeit. Der Kerzenständer rutschte aus ihren Fingern und schlug polternd neben dem Bett zu Boden .
    „Viviane“, raunte Olivier dicht an ihrem Ohr und setzte einen Kuss darauf. Die Matratze senkte sich unter seinem Gewicht. „Wirst du mit mir kommen? Fort aus Frankreich?“
    „Was glaubst du wohl? Ich werde heiraten.“ Für einen kurzen Moment e r götzte sie sich an dem dumpfen Schweigen, das auf ihre Erwiderung folgte. Olivier, sonst mit Worten ebenso gewandt wie mit der Feder, blieb stumm. Ehe er vor ihr zurückweichen konnte, legte sie die Hände um seinen Nacken. „Ich warte nur noch darauf, dass der Mann, den ich heiraten werde, mir noch einmal einen Antrag macht.“
    „Was für ein Trottel muss das sein, wenn er dich darauf warten lässt?“, b e merkte er trocken.
    „Ein ausgemachter Kretin ist es, sagt Grandmère. Sie ist eine kluge , alte Dame, du wirst sie beim Frühstück kennenlernen .“
    Olivier erhob sich. Er klaubte den Kerzenständer vom Boden auf, tastete nach der Kerze und fand sie. Viviane verfolgte im Dunkeln sein Hantieren. Ein Funkenschlag machte sie beinahe vollständig blind, dann erwachte eine Flamme am Docht. Nach langer Zeit sahen sie sich in die Augen. Sein Gesicht war schm a ler geworden. Unter der hellen Haut wirkten seine Wangenkn o chen, die scharfen Konturen seines Kinns wie aus Stein gemeißelt. Doch seine Augen blickten so klar und hell wie stets, zwei funkelnde Kristalle, von einem schmalen Ring aus Blau eingefasst. Er kniete vor ihrem Bett und setzte die Kerze auf dem Nachttisch ab.
    „Viviane Pompinelle“, sagte er feierlich. „Willst du mich heiraten? Willst du mit mir fortgehen und ein neues Leben beginnen?“
    „Wohin?“, fragte sie und strich eine dicke Strähne seines kastanienbraunen Haars hinter sein Ohr.
    Er zuckte mit einem leisen Lächeln die Schultern und wiederholte die Wo r te, die sie einst zu ihm gesagt hatte. „Die
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