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Kuss der Sünde (German Edition)

Kuss der Sünde (German Edition)

Titel: Kuss der Sünde (German Edition)
Autoren: Lara Wegner
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Maurice stöhnte auf und beschattete erneut die Augen mit der Hand, als wollte er sich darunter verkriechen. Ihre Mutter machte den Eindruck einer leblosen Porzellanpuppe. Am klaffenden Kragen ihres Hausmantels konnte Viviane sogar aus der Distanz ihren Puls rasen sehen.
    „Mein Vater wurde nicht rehabilitiert“, wandte Olivier kalt ein. „Er wurde begnadigt, das ist nicht dasselbe. Nichts wurde dadurch aus der Welt geräumt. Es gab noch nicht einmal eine ordentliche Verhandlung, die seine Unschuld beweisen konnte. Seine Begnadigung machte nichts von dem ungeschehen, was diese beiden ausgeheckt hatten, um ihn zu vernichten.“
    Diese beiden waren ihr e Mutter und ihr Onkel, die nichts gegen diese haltlos erscheinende Anklage vorbrachten. Olivier schritt noch näher, begab sich direkt in ihren Dunstkreis und ließ sie seine Verachtung spüren. Seine Finge r spitzen schienen aufzuglühen. Sie alle, außer ihrem Vater, Lazare und Duprey schienen von einem seltsamen Glühen umgeben. Viviane wurde übel. Feenvolk. Genau davor hatte Adrienne sie warnen wollen.
    „Allmählich verstehe ich die ganze Intrige. Es hat lange gedauert, doch bi s her war es mir auch nicht vergönnt, Ihnen zu begegnen, Monsieur“, richtete Olivier das Wort an ihren Onkel. „Sie sind der Bruder dieser Schlange, nicht wahr? Der aufmerksame, liebende Bruder, der jederzeit zur Stelle ist, wenn es darum geht , infame Gerüchte in die Welt zu setzen. Gerüchte, die auf Sie weitaus eher zutreffen, und so war es leicht, Ihre eigene Neigung einem and e ren unterzuschieben, Madame Fifi.“
    „Rufen Sie die Polizei herein, Germain. Ich kann diesen liederlichen, ve r kommenen Menschen nicht in meiner Nähe dulden. Er gehört hinter Gitter!“
    Viviane zuckte unter der schrillen Forderung ihrer Mutter zusammen. Die Polizei war in der Nähe? Das erklärte die Stille auf dem Grundstück, die schweigenden Vögel in den Bäumen, Oliviers misstrauisches Verhalten vor der Haustür. Ihr Vater musste sie informiert haben, vermutlich aufgrund des Verschwindens seiner Töchter, und als sie angekommen waren, in Begleitung dreier Fremder, hatten sich die Männer des Gesetzes abwartend hinter die Büsche zurückgezogen.
    Ihre Eltern und Onkel Maurice waren wahrhaftig in etwas verstrickt, das sich nur langsam offenbarte, sich aus jeder weiteren Äußerung deutlicher he r auskristallisierte.
    Juliette lehnte sich an ihre Schulter. „Was geht h ier vor ?“
    Viviane konnte nur den Kopf schütteln.
    „Ein Mann, der kleinen Stallburschen mehr abgewinnen kann als den Vo r zügen im Haus der La Bouche“, sagte Olivier geringschätzig. „Ein Laster, das bei einem Edelmann nicht toleriert wird und seinen Ruf beschädigt, sobald es publik wird. Sie wussten, was Sie meinem Vater damit antun, haben verbreitet, dass er die ihm anvertrauten Schüler missbrauchte. Sie waren derjenige, der mit Einzelheiten aufwarten konnte, die er aus eigener Erfahrung kennt , und daher überaus glaubwürdig. Einem Mann I hres Standes wird natürlich alles geglaubt. Mein Vater wurde als Schänder seiner Schutzbefohlenen abgeführt, ohne dass Ihre Aussagen überprüft wurden. Dabei war sein einziges Ve r schulden die Liebe zu einer Frau, die eine eigennützige Egoistin ist und jedes menschliche Gefühl entbehrt. Eine Frau, die ihren eigenen Vorteil über alles stellt und noch nicht einmal Treue zu ihrem eigenen Gatten kennt und ihm Hörner aufsetzt, wann immer ihr danach ist.“
    Der Atem ihrer Mutter wurde laut und schwer. Wieder und wieder schütte l te sie den Kopf, bis sie schließlich die Hände über ihre Ohren schlug. In den Zügen ihres Onkels arbeitete es. Winzige Würmer schienen unter seiner Haut zu sitzen, die sich unter Oliviers Anschuldigungen aus seinen Poren emporkämpfen wollten. Ihr Vater wurde kalkweiß und schwankte wie ein langes Schilfrohr. Gleich einem Blitz durchzuckte Viviane die Erkenntnis, dass Olivier die Wahrheit sprach. Eine unerträgliche, entsetzliche Wahrheit, der ni e mand etwas entgegenhalten konnte. Olivier sah zu ihr. Seine grauen Augen waren jeder Farbe beraubt. Um seine Mundwinkel zuckte es. Er war ein Sin n bild blanker Verzweiflung, das in ihr seinen Widerhall fand.
    „Du kannst mir nicht vergeben, das weiß ich. Aber vielleicht verstehst du jetzt, weshalb ich … “ Seine Stimme versagte. Hart schluckte er und presste die Lippen aufeinander.
    Sie verstand alles. Die ganze große über Jahre aufrechterhaltene Lüge ihrer Familie. Wenn es jemals einen
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