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Kurt Ostbahn - Platzangst

Kurt Ostbahn - Platzangst

Titel: Kurt Ostbahn - Platzangst
Autoren: Guenter Broedl
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schön in der Scheiße, schätz ich“, meint Axel und will mir dann gleich die genaue Adresse durchsagen, wo er und Kollege Ronnie in der Scheiße sitzend auf mich warten, anstatt hier auf meiner Baustelle Hammer und Meißel zu schwingen.
    „Momenterl“, sage ich, „was is eigentlich los?“
    „Wir sind da in einem Keller“, eröffnet mir mein Mitarbeiter mit Grabesstimme. „Und in dem Keller liegt eine Leiche.“
    „Großartig“, sage ich.
    Und dann sage ich ihm in aller Deutlichkeit, daß ich für Leichen im Keller nicht zuständig bin.
    Schon gar nicht nach einer solchen Nacht und vor dem Frühstück.

3
    Auhofstraße 238.
    Ronnie wartet im Vorgarten eines monströsen Kastens, an dem möglicherweise Richard, aber ganz bestimmt nicht Otto Wagner Gefallen gefunden hätte, unter einer dringend erholungsbedürftigen Silbertanne im Regen. Er winkt, als ich zirka eine Stunde nach seinem Anruf aus dem Taxi steige, und sieht aus wie ein begossener ungarischer Hirtenhund, den man noch dazu um seinen Lieblingsknochen gebracht hat. Wirklich zum Erbarmen.
    „Wo liegt das Problem?“ sage ich und probiere ein aufmunterndes Lächeln.
    Ronnie drückt das schmiedeeiserne Gartentor auf und läßt mich rein. Grußlos und ohne ein Lächeln.
    „Der Axel wartet unten“ sagt er.
    Dann rennt er los, über den Kiesweg durch den verwilderten Vorgarten und links am Haus vorbei zu einer Kellertür. Ich folge ihm, so schnell ich kann.
    „Scheißregen“, keuche ich, als wir völlig durchnäßt auf dem Treppenabsatz im Trockenen stehen und Ronnie hinter uns die Kellertür abschließt und doppelt verriegelt.
    „Is da wer? Ronnie?!“ ruft Axel besorgt von tief unten, irgendwo aus der Schwärze des Kellergewölbes.
    „Scheiß di ned an“, meldet sich Ronnie zurück. „Wir sind’s. Der Kurtl und ich.“
    Dann streicht er sich die klitschnassen Strähnen aus dem Gesicht und macht eine einladende Geste.
    „Alles halb so wild, Kurtl“, sagt er, als ich die ersten Stufen der ebenso steilen wie spärlich beleuchteten Treppe hinabsteige. „Wir haben zuerst garned glaubt, daß das wer toter is. . .“
    „Sondern?“
    „Weiß nicht. Irgendwas. Alte Fetzen. Klumpert.“
    Er niest mir ins Genick.
    „Gesundheit“, sage ich.
    Und mit jeder Stufe, die ich in das Kellerverlies des Hauses Auhofstraße 238 hinabsteige, wird mir immer mehr bewußt: Eine Leiche im Keller. Das ist nicht deine Party. Nicht jetzt, und schon garnicht heute. Du hast kriminalistisch zwar so deine Erfahrungen und bei der Täterermittlung sogar den einen oder anderen internationalen Erfolg aufzuweisen, momentan jedoch ganz andere Sorgen: Bauschutt. Zugluft. Schlafstörungen. Höllenlärm.
    Aber dann taucht aus dem Schwarz des Kellers der junge Herr Axel auf. Eigentlich ist es der fahle Schatten des jungen Herrn Axel, was ich unter anderen Umständen einer langen Nacht an den Pooltischen des Savoy zugeschrieben hätte, einer jener Nächte, die auch mich schon so manche Flasche Fernet und so manches Lebensjahr gekostet haben.
    „Danke, Kurtl“, sagt Axel mit einem dermaßen hilflosen Lächeln im bleichen Antlitz, daß ich mir ernsthaft Sorgen um seinen Gesamtzustand mache. „Danke, daß du doch noch gekommen bist. Echt.“
    Ehe ich einwenden kann, was mir am Herzen liegt, legt sich von hinten Ronnies regennasse Hand auf meine regennasse Schulter.
    „Genau“, sagt er. Ronnie ist kein Freund großer Worte. Drum sagt er nur noch: „Da vom. Gleich links.“
    Es sind nur ein paar Schritte von der Treppe zu einer weiß gestrichenen Eisentür, die halb offensteht und hinter der sich eine Leiche befindet, für die sich beim besten Willen kein freies Platzerl mehr findet in meinem Leben.
    Denn da ist nicht nur der Umbau. Da gibt es zusätzlich noch eine Reihe beruflicher Verpflichtungen. Zum Beispiel eine Konzerttournee. 23 Auftritte an beinah ebenso vielen Tagen, acht österreichische Bundesländer und der Freistaat Bayern, vom Chiemsee zum Neusiedlersee und mehrfach retour, Berge und Täler, bummvolle Hütten und halbleere Hal-len, und Abend für Abend ein Publikum, das erobert werden will. Eine schöne Aufgabe. Oftmals aber keine leichte. Und mit fortschreitendem Alter stellt sich mir auch immer lauter und immer deutlicher die Frage der Kondition, des Durchhaltevermögens – auf, hinter und nach der Bühne. Und wenn dann in der Zeit unmittelbar vor Antritt einer solchen Konzertreise, die eine Zeit der inneren Sammlung und körperlichen Aufbauarbeit sein sollte,
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