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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Autoren: Gisa Pauly
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es innerhalb weniger Sekunden geschickt und sicher im Laderaum.
    In einem Tempo, das Mamma Carlotta gefiel, fuhren sie die Braderuper Straße hinunter. Der Fahrstil der jungen Reporterin war ihr als Italienerin vertraut. So fuhren auch ihre Söhne, die der Meinung waren, dass Verkehrsvorschriften nur dazu dienten, im Falle eines Unfalls den Schuldigen festzustellen. Solange nichts passierte, fuhr man eben so schnell, wie es möglich war. Wenn sie neben Erik im Auto saß, war sie oft drauf und dran, ihn anzutreiben, damit es ein wenig schneller voranging.
    Als es für einen Augenblick so aussah, als übersähe Wiebke Reimers die rote Ampel an der Kreuzung, hinter der es nach Wenningstedt hineinging, bekam Mamma Carlotta einen kurzen Schreck. Aber als sie mit quietschenden Reifen gerade noch rechtzeitig zum Stehen kamen, beruhigte sie sich schnell wieder. Es kam ihr sogar der Verdacht, dass es sich gar nicht um eine Notbremsung gehandelt hatte, sondern um eine ganz individuelle Art, sich einer roten Ampel zu nähern.
    Auf die Abkürzung über den Osterweg konnte sie Wiebke nicht mehr rechtzeitig aufmerksam machen, da die Reporterin schon an der Einmündung vorbeigebraust war, ehe sie den Hinweis zur Kenntnis genommen hatte. Als der Wagen von der Hauptstraße in die Westerlandstraße schlidderte, bereitete Mamma Carlotta sie auf ein baldiges Abbiegen in den Süder Wung vor, aber Wiebke Reimers flitzte dennoch an der Einmündung vorbei. Während sie rückwärts in den Hochkamp stach, um zu wenden, erfuhr Mamma Carlotta, dass Wiebke in ihrer Eigenschaft als Reporterin der Mattino über die Unterschriftenaktion von »Verraten und verkauft« berichten würde. »Auch wenn der Matteuer das nicht passt«, ergänzte sie, fand nun die Einmündung in den Süder Wung und kam sogar rechtzeitig vor dem Hause Wolf zum Stehen.
    »Grazie mille!«, rief Mamma Carlotta. »Darf ich Sie zum Dank zum Abendessen einladen?«
    Noch bevor sie den Satz zu Ende gesprochen hatte, bereute Mamma Carlotta ihn. Ihr wurde ganz bang bei dem Gedanken, wie sie den Kindern ihre Begegnung mit der Reporterin erklären sollte. Würde sie ihrer Familie noch mehr Notlügen auftischen müssen?
    Aber Wiebke Reimers winkte dankend ab. »Ich muss noch mit meinem Chefredakteur telefonieren.«
    Während Mamma Carlotta ausstieg, rief sie genauso oft »Ciao!« wie diese, dann gab die Reporterin Gas und rauschte auf den Osterweg zu, obwohl sie zum Hotel Windrose, wo sie logierte, in die entgegengesetzte Richtung hätte fahren müssen. Und obwohl hinter ihrem Sitz noch immer Mamma Carlottas Fahrrad lag.

A ls Erik am nächsten Morgen erwachte, galt sein erster Gedanke Ludo Thöneßen. Ob er mittlerweile aufgetaucht war? War es womöglich an der Zeit, sich um sein Verschwinden zu kümmern? Oder bestand die Gefahr, dass Ludo in Kürze zurückkehrte und sich dann über den polizeilichen Übergriff beklagte? Schließlich gab es keine Vermisstenanzeige. Jacqueline Hansen, Ludos Angestellte, machte sich noch keine Sorgen, und Angehörige oder Verwandte, die die Polizei alarmierten, gab es nicht. Erik hatte trotzdem ein komisches Gefühl bei der Sache.
    Er drehte sich auf die andere Seite und wartete darauf, dass der Wecker Alarm schlug. Seine Gedanken wanderten von Ludo zum vergangenen Abend und dort zu einer rotgelockten jungen Frau, deren Bekanntschaft seine Schwiegermutter gemacht hatte.
    Mamma Carlotta hatte vor der Tür gestanden und aufgeregt die Straße hinauf und hinab gesehen, als Erik mit Sören in den Süder Wung eingebogen war. Noch bevor sie von ihren Fahrrädern gestiegen waren, war es aus ihr herausgesprudelt. Eine Reporterin der Mattino habe sie nach Hause gebracht, weil ihr Fahrrad einen Platten hatte, aber die sei gleich weitergebraust, nachdem sie Mamma Carlotta abgesetzt hatte. »Madonna, hat die ein Tempo! Ich hoffe, sie merkt bald, dass mein Fahrrad noch in ihrem Kofferraum liegt.«
    Aber sie hoffte vergebens. Schließlich machte Sören den Vorschlag, dass man genauso gut in der Küche darauf warten könne, dass das Fahrrad zurückgebracht wurde, was den großen Vorteil habe, dass die Schwiegermutter seines Chefs dabei das Abendessen zubereiten könne.
    »Giusto!«, rief sie jetzt. »Es wird Zeit! Wir müssen früh essen, wegen der Unterschriftenaktion. Dann sind die Sylter zu Hause und die Touristen auch. Wie aufregend! In meinem Dorf gab es noch nie eine Unterschriftenaktion.«
    Dieses Wort sprach sie aus, wie ein Geistlicher über Sexualität redete,
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