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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Autoren: Gisa Pauly
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schicke Büro in Hamburg und andererseits die Arbeit quasi direkt auf der Baustelle. Eine Unternehmerin, die überall zu Hause ist, in Designermöbeln genauso wie in diesem Notbehelf.«
    »Meinetwegen«, drang Corinna Matteuers Stimme nach draußen.
    Mamma Carlotta fand die Arbeit einer Zeitungsreporterin wahnsinnig interessant, erst recht, wenn diese kurz zuvor noch in ihren Armen gehangen hatte und von ihr davor bewahrt worden war, bäuchlings auf dem Bretterboden des Baubüros zu landen. Dann aber wurde ihre Aufmerksamkeit auf etwas Profaneres gelenkt: ihr Fahrrad. Oder vielmehr … das Fahrrad, das einmal Lucia gehört hatte und schon deshalb eine ganz besondere Bedeutung hatte. Es stand noch dort, wo sie es abgestellt hatte, aber aus dem Hinterreifen war die Luft entwichen. Wie sollte sie nun nach Wenningstedt zurückkommen? Zu Fuß? Dann würde es allmählich wirklich spät werden und das Abendessen womöglich erst lange nach Einbruch der Dunkelheit serviert werden können. Auch wenn das in ihrem Heimatdorf keine Seltenheit war, so waren Erik und die Kinder doch an andere Zeiten gewöhnt.
    »Ich habe gehört, dass gegen Sie und Ihre Firma eine Unterschriftenaktion in die Wege geleitet wird«, hörte sie Wiebke Reimers sagen. »Werden Sie darauf reagieren?«
    Corinna Matteuers Stimme klang verächtlich. »Warum sollte ich?«
    »Sind Ihnen die Vorwürfe der Sylter Bevölkerung egal?«
    Nun wurde Corinna Matteuers Stimme scharf: »Sie haben mir gesagt, Sie wollen eine Reportage über erfolgreiche Unternehmerinnen machen. Was hat diese lächerliche Bürgerinitiative damit zu tun?«
    Mamma Carlotta vergaß vorübergehend die Heftzwecke im Hinterreifen ihres Fahrrads. Lächerliche Bürgerinitiative? Den Syltern wurde Sylt weggenommen! Diejenigen, die hier geboren worden waren, konnten sich mittlerweile ihre eigene Insel nicht mehr leisten, sämtliche Wohnungen waren nur noch für Touristen da, denen überdies der Naturschutz viel weniger bedeutete als den Syltern selbst! Den einheimischen Vermietern wurde die Existenz durch immer größere Apartment- und Hotelprojekte zerstört – und da nannte Frau Matteuer die Versuche, den Raubbau der Insel zu verhindern, lächerlich? Mamma Carlotta zog den Reißverschluss ihrer Jacke ein Stück herunter, weil Empörung sie grundsätzlich erhitzte. Noch vor wenigen Stunden hatten ihre Enkelkinder ihr von der Schadstoffbelastung der Luft erzählt, vom ungebremsten Landschaftsverbrauch, von dem ausufernden Verkehr auf Sylt, von der hemmungslosen
Umwandlung der Gemeinden in Apartmenthochburgen bei gleichzeitiger Wohnungsnot unter den Einheimischen. Aber der Inhaberin von Matteuer-Immobilien war das anscheinend völlig gleichgültig. Mamma Carlotta überlegte, ob sie Niccolò einfach anrufen und ihm erklären sollte, was es mit diesem Gesundheitshaus direkt am Braderuper Naturschutzgebiet auf sich hatte. Dass er sich quasi mitschuldig machte, wenn er in diesem Großprojekt demnächst sein Auskommen finden wollte. Andererseits wusste sie genau, dass Niccolò mit Vernunft nicht beizukommen war, wenn er unbedingt etwas haben wollte.
    Seufzend schob sie das Fahrrad auf die Straße. Bevor sie es auf anderem Wege erfuhren, würde Mamma Carlotta den Kindern wohl doch gestehen müssen, dass sie versucht hatte, für Niccolò ausgerechnet in dem Gebäude eine neue Existenz zu suchen, gegen das alle Mitglieder der Bürgerinitiative am Abend demonstrieren wollten. Vermutlich würde Carolin ihr nahelegen, ihrer Anmeldung der Mitgliedschaft umgehend die Kündigung folgen zu lassen. »Madonna!« Wie schwer war es doch, wenn die Familie so groß war und jedem geholfen werden sollte!
    In diesem Moment hörte sie, wie die Tür des Baubüros ins Schloss fiel. Wiebke Reimers verstaute die Kamera in ihrer Tasche, während sie auf ihr Auto zuging, das sie neben der Einfahrt geparkt hatte.
    Die junge Reporterin erkannte sofort, in welchen Schwierigkeiten die Frau steckte, die sie vor wenigen Minuten vor einer Bauchlandung bewahrt hatte. »Wo müssen Sie hin?«
    Mamma Carlotta schöpfte Hoffnung. Wiebke Reimers fuhr einen Kastenwagen mit einem großen Laderaum. »Nach Wenningstedt. Können Sie mich ein Stückchen mitnehmen?«
    »Klar!« Wiebke öffnete die hintere Klappe ihres Wagens und winkte Mamma Carlotta heran. »Ihr Fahrrad passt hier rein.«
    Bei dem Versuch, das unhandliche Rad in den Wagen zu hieven, büßten sie beide einen Fingernagel ein, doch dann kam ihnen Dennis Happe zu Hilfe und verstaute
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