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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Autoren: Gisa Pauly
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anzusehen.«
    Dennis Happe atmete tief durch, als müsse er sich zur Ruhe zwingen. »Ich kann Ihren Neffen gut verstehen«, begann er.
    In diesem Moment löste sich eine der beiden Frauen aus dem hinteren Bereich des Raums und ging zur Tür. Als sie im Vorübergehen bemerkte, worüber Mamma Carlotta sprach, sagte sie: »Es gibt viele Bewerber für das Bistro. Und Sylter werden bevorzugt. Sie sollten Ihrem Neffen keine allzu großen Hoffnungen machen.«
    »Davvero?« Mamma Carlotta gab sich bestürzt, konnte aber nicht verhehlen, dass sie trotz des Mitgefühls für Niccolò auch Erleichterung empfand. Wenn ihr Neffe keine Chance hatte, das Bistro zu übernehmen, dann würden Erik und die Kinder nie erfahren müssen, dass sie sich für Niccolò eingesetzt hatte. Schließlich ging es um ein Bauprojekt, gegen das sie mit ihren Enkeln zu protestieren gedachte, weil es überdimensioniert war und dem Naturschutz gefährlich wurde.
    Die Frau blieb stehen, weil sie anscheinend Mamma Carlottas Bestürzung mildern wollte. »Lassen Sie seine Bewerbung hier. Vielleicht ergibt sich ja mal was anderes«, bot sie an.
    Mamma Carlotta sprang auf, um sich wortreich zu bedanken, ließ sich dann wieder auf den Stuhl fallen, weil ihr einfiel, dass auch Dennis Happe Dank verdiente, und sprang erneut auf, als die zweite Frau Anstalten machte, den Raum zu verlassen, um der ersten zu folgen.
    Auch sie warf einen Blick auf Niccolòs Brief, der vor Dennis Happe auf dem Schreibtisch lag. »Wir müssen Prioritäten setzen«, sagte sie. »Sylter werden bevorzugt. Ich hoffe, Sie verstehen das.«
    Mamma Carlotta versicherte es in deutscher und vorsichtshalber auch noch in italienischer Sprache, obwohl sie keine Ahnung hatte, was mit Prioritäten gemeint war. Dann fand sie, dass sie alles getan hatte, was ein Familienmitglied von ihr erwarten durfte. Wenn es wirklich schon viele andere Bewerber gab, dann musste Niccolò sich damit abfinden. Dass seine Tante unter anderen Umständen dafür gesorgt hätte, dass die Firma Matteuer-Immobilien alle Mitbewerber vergaß, und sich expressiv darüber empört hätte, dass ein Italiener hinter einem Sylter zurückstehen sollte, vergaß sie der Einfachheit halber. Sie hatte getan, was sie Niccolò versprochen hatte, nun musste sie nur noch dafür sorgen, dass Carolin und Felix nichts davon erfuhren. Eine Verräterin würden sie ihre Nonna nennen, wenn sie wüssten, mit welchem Anliegen sie an die skrupellose Firma Matteuer herangetreten war.
    Sie schrieb Dennis Happe noch schnell den Namen einer Pension in ihrem Heimatdorf auf, verabschiedete sich und trat zurück auf den Flur, wo die beiden Frauen sich gerade an der Kaffeemaschine bedienten.
    Mamma Carlotta hörte, wie die eine zur anderen sagte: »Heute Abend gibt’s wieder eine dieser blöden Demos. Nimmt Ludo Thöneßen etwa auch daran teil?«
    Die andere zuckte die Schultern. »Ich versuche seit zwei Tagen, ihn zu erreichen, aber er geht einfach nicht ans Telefon. Man könnte meinen, er hat sich abgesetzt.«
    Nun hielten beide eine Kaffeetasse in der Hand und lehnten sich nebeneinander an den Tisch, auf dem die Kaffeemaschine stand.
    »Wann kommt die Reporterin der Mattino?«, fragte die eine.
    »Übermorgen«, gab die andere missmutig zurück. »Eigentlich habe ich gar keine Lust dazu. Aber ich hoffe, ich kann das Interview nutzen, um dieser lästigen Bürgerinitiative den Wind aus den Segeln zu nehmen.«
    Mamma Carlotta war wie angewurzelt stehen geblieben und starrte die beiden Frauen an. »Madonna!«, flüsterte sie.

D ie Panik, die ihn kurz zuvor noch geschüttelt hatte, legte sich, und auch mit dem Schwindel war es vorbei. Arme und Beine zitterten nicht mehr, das rasende Herzklopfen trat nur noch gelegentlich auf. Kalter Schweiß überzog ihn, seine Haut war feucht, gelegentlich verkrampften sich seine Extremitäten, und der pelzige Mund quälte ihn. Aber er war mittlerweile zu kraftlos, um sich dagegen zu wehren. Schwäche breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Im Kopf war sie entstanden, dann als eine bleierne Müdigkeit auf seine Glieder übergegangen, nun hatte er nur noch den Wunsch, sich auszustrecken und darauf zu warten, dass es zu Ende war.
    Er hielt die Augen fest geschlossen, um die Finsternis nicht sehen zu müssen, und presste die Kiefer aufeinander. Er hatte Durst, schrecklichen Durst. Aber seine Verzweiflung darüber war längst einer Lethargie gewichen, von der er wusste, dass sie tödlich war, über kurz oder lang. In seinem
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