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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Autoren: Gisa Pauly
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weil sie ihn von heute auf morgen hinwerfen konnte, wenn sich eine interessante Alternative weit weg von Sylt bieten sollte. Erik war sicher, dass Jacqueline noch in zehn Jahren hier arbeiten würde, vorausgesetzt, das Squashcenter hielt sich so lange.
    Danach sah es allerdings nicht aus. Nachdem Erik zwei Bier bestellt hatte, fragte er Jacqueline: »Ist der Laden immer so leer?«
    Sie begann zu zapfen. »Ich bin nur noch hier, weil ich Ludo nicht im Stich lassen will.«
    Einer der fünf Männer rief: »Jacqueline, wo ist dein Chef? Wir sind hier mit ihm verabredet!«
    Und ein anderer ergänzte: »Wir sind nicht zum Vergnügen hier. Es geht um die Demo gegen Matteuer-Immobilien!«
    Jacqueline zuckte mit den Achseln. »Den Chef habe ich seit Freitag nicht gesehen. Am Wochenende hat er sich nicht blicken lassen.«
    Erik sah Sören fragend an, dann erkundigte er sich: »Thöneßen wird vermisst?«
    Jacqueline lachte. »So würde ich das nicht nennen. Seit seine Frau ihn verlassen hat, wandelt er gelegentlich auf Freiersfüßen. Macht nichts! Ich habe ja einen Schlüssel. Er weiß, dass der Laden weiterläuft.«
    Erik wunderte sich: »Er bleibt einfach ein paar Tage weg?«
    Jacqueline stellte die Biergläser vor Erik und Sören hin. »Bisher hat er eigentlich immer Bescheid gesagt.«
    »Sie haben also keine Ahnung, wo er ist?«
    »Sein Auto steht jedenfalls nicht auf dem Parkplatz.«
    Sören prostete seinem Chef zu, Jacqueline kümmerte sich um die fünf Aquavit, nach denen die Herren am Tisch verlangt hatten. »Seit Sila Simoni ihn verlassen hat«, sagte Sören leise, »ist Ludo nicht mehr der, der er mal war. Erst dachte man ja, er fängt sich wieder. Aber es geht immer weiter mit ihm bergab.«
    Der Besitzer des Fahrradverleihs begann zu schimpfen. »Ich habe schon x-mal auf seinem Handy angerufen. Wieso geht der nicht ran?«
    Die Frage war an Jacqueline gerichtet, aber sie gab keine Antwort. Wahrscheinlich hatte sie schon mehr als einmal erklärt, dass ihr über den Aufenthaltsort ihres Chefs nichts bekannt war.
    Erik drehte den Männern den Rücken zu und legte die Unterarme auf die Theke. »Kennen Sie Thöneßen näher?«, fragte er Sören.
    Sein Assistent schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur das, was alle wissen.«
    »Und das wäre?« Sören musste sich doch denken können, dass Erik kein einziges Gerücht kannte, das auf Sylt kursierte. Er blieb von jeder Neuigkeit verschont, weil er sich selten in Gespräche verwickeln ließ und an Sensationen nicht interessiert war. Früher hatte Lucia ihn auf dem Laufenden gehalten, sie war ja ähnlich kommunikationsfreudig gewesen wie ihre Mutter. Von ihr hatte er erfahren, wenn in einer Familie ein weiteres Kind erwartet wurde, wenn eine Ehe in die Brüche zu gehen drohte oder jemand arbeitslos geworden war. Seit sie nicht mehr lebte, war es einsam um Erik geworden. Nicht nur, weil ihm Lucia fehlte, sondern auch, weil er den Verbindungsdraht zu den Menschen, in deren Mitte er lebte, verloren hatte. Wieder einmal nahm er sich vor, alte Bekanntschaften aufzufrischen, statt sich jeden Abend hinter der Zeitung zu verbergen und froh zu sein, dass er seine Ruhe hatte.
    Sören sah ihn ungeduldig an. »Dass Ludo Thöneßen mit der Pornoqueen verheiratet ist, dürfte sogar Ihnen bekannt sein.«
    Erik nickte. Diese Sensation hatte die Insel damals derart erschüttert, dass ihr niemand entgehen konnte. Ludo Thöneßen, der vermögende, allseits geachtete Geschäftsmann, hatte sich in eine Frau verliebt, die sich in Pornofilmen nackt auf dem Sofa räkelte, die eine Oberweite hatte, die der Größe von zwei Melonen entsprach, und mit aufgespritzten Lippen in der Form eines Schlauchboots lächelte. Vieles andere an ihr schien ebenfalls nicht echt zu sein: die runden Pausbäckchen, die faltenlose Haut, die weißblonden Haare und die langen Fingernägel. Manche hatten auch von fettabgesaugten Oberschenkeln geredet, von einem silikonverstärkten Po, einem gelifteten Hals und einer operierten Nase. Aber das Gerede war schnell verstummt, denn auf Sylt war Sila Simoni Privatfrau und verhielt sich so unauffällig, dass man beinah vergessen konnte, womit sie ihr Vermögen gemacht hatte. Und da Ludo Thöneßen einen guten Ruf genoss, als Geschäftsmann und als Mitglied des Gemeinderats, war ihm die Ehe mit Sila Simoni irgendwann nachgesehen worden. Seine Frau war viel unterwegs, hastete von einem Engagement zum nächsten, von Dreharbeiten zu Talkshows, von Fototerminen zu Anproben und
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