Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk
Autoren: Kriegsbraut
Vom Netzwerk:
warm.
Sie schwammen erst und machten dann Wasserschlachten, Männer gegen Frauen. Der
Schauspieler klammerte sich ein bisschen zu gerne und ein bisschen zu oft an
Esther, und als sie den Satz, dass er so schlecht nicht bestückt sei, an ihrem
Bein bestätigt fand, schwamm sie weit hinaus. Er folgte, musste aber bald
aufgeben. Als sie zurückschwamm, sah sie den Anästhesisten und die
Schauspielerin auf dem benachbarten Grundstück verschwinden.
    Später
saßen sie in weißen Bademänteln im Wohnzimmer und tranken weiter Rotwein.
Esther hatte einen Bademantel aus dem Kempinski erwischt. Andere zeigten die
Wappen vom Grand Hyatt oder vom Ritz-Carlton. Thilo war auf seinem Stuhl eingeschlafen.
Der Anästhesist schlug ihm eine Pellegrino-Flasche auf den Kopf, aber er wurde
nicht wach. Greta war längst schlafen gegangen. Der Finanzberater, der in
einen weißen Bademantel vom Conrad gehüllt war, rückte seinen Stuhl zu Esther
und sagte, es sei Zeit, dass diese Nation mal Blut lasse. Hin und wieder müsse
ein Land bluten, damit etwas Neues entstehen könne. Er drückte ihre Schulter,
als hätten sie da ein stilles Einverständnis. Esther stierte ihn betrunken an.
     
    «Es tut
mir leid», sagte Thilo.
    Sie gingen
im Wald spazieren, verkatert, langsam, Licht und Schatten musterten den Boden.
In der Luft hingen kleine, schlanke Raupen.
    «Was?»
    «Der
Abend, die Gäste, ihr Benehmen. Du könntest so viel erzählen, aber niemand
wollte etwas von dir wissen.»
    «Man kann
es ohnehin nicht erzählen.»
    «Du hast
eine Raupe auf deiner Bluse.» Esther blieb stehen. Eine Raupe klebte an ihrer
Brust, grün, reglos. «Können die fliegen?»
    «Ich
glaube, sie hängen an unsichtbaren Fäden.» Sie schnippte die Raupe weg. «Denkst
du noch manchmal an uns?», fragte er. «Ich denke viel an euch.»
    «Nichts
hat gestimmt zwischen uns, aber ich kann nicht aufhören, mich nach dir zu
sehnen.»
    «Nichts?»
    «Wir
konnten nicht miteinander reden. Wir konnten nicht miteinander vögeln.»
    Sie machte
einen Schritt zur Seite, um einer Raupe auszuweichen.
    «Alles ist
besser mit Greta, aber wenn ich mich frage, mit wem ich lieber meine Zeit
verbringen würde, heißt die Antwort immer: Esther. Seltsam, oder?»
    «Ja.»
    «Was
meinst du?»
    «Damals
wolltest du mich nicht.»
    «Ich will
dich auch jetzt nicht.»
    «Was
willst du?»
    «Ich will
dich vermissen.»
    «Das
kannst du.»
    «Ich
könnte dich schlimmer vermissen, wenn du mich auch vermissen würdest.»
    «Ist
schlimmer vermissen besser vermissen?»
    «Ja.»
    «Du willst
Tragik.»
    «Ich will
mit dir schlafen.»
    «Obwohl du
den Sex mit mir nicht genossen hast?»
    «Ich habe
dich genossen.»
    «Du kannst
nicht mit mir schlafen.»
    «Wir
könnten das haben, was wir hatten.»
    «Wir
konnten das nur deshalb haben, weil ich mein Leben abgeschafft hatte, sogar die
Erinnerung an mein Leben, weil es gar nicht meines war, weil es offen war für
die Hoffnung auf dein Leben. Das bin ich nicht mehr. Ich habe eine Erinnerung,
ein Leben und eine Hoffnung.»
    «Den
Krieg?»
    «Sei nicht
gemein zu mir.»
    «Wir
könnten ein Kind haben.»
    «Vier.»
    Er
schwieg, er sah traurig aus. Sie gingen still nebeneinanderher, wichen den
Raupen aus, und einmal schnippte sie ihm eine vom Rücken. «Wir bleiben Freunde,
ja?», sagte er. «Wir bleiben Freunde.»
     
    Sie saß im
ICE nach Ulm, ein Donnerstag, blauer Himmel. Sie las nicht, schaute nur
hinaus. Wie grün dieses Land war. Und wie unbeschwert. Niemand schien besorgt,
dass der braune Koffer, den sie herrenlos im Gang stehen sah, eine Bombe
enthalten könnte. Sie wollte es dem Schaffner sagen, tat es aber nicht, weil
sie das Gefühl hatte, sie würde sich lächerlich machen. Später kam jemand und
nahm ein Buch aus dem Koffer. Fulda. Frankfurt. Mannheim. Stuttgart. Wie
unbewohnbar diese Städte wirkten, kalt und eckig, übergroße Raststätten an der
Schienentrasse.
    In Ulm
stieg sie um in einen Bummelzug, grüne Hügel, Fachwerk, Kühe. Es war fünf Uhr
nachmittags, als sie in Wangen ankam. Sie ging durch die Stadt und sah überall
rot-gelb-grüne Wimpel, in den Schaufenstern, an den Türen der Wirtshäuser, an
Leinen über der Straße. «Welcome Togo!», las sie in rot-gelb-grünen Buchstaben.
Maxis Mutter wohnte in einem Fachwerkhaus am Rand der Innenstadt. Sie war eine
große, etwas füllige Frau mit einer blonden Mähne, in die eine bläuliche
Strähne eingefärbt war. Ihre Gesichtszüge waren nicht so herb wie die von
Maxi, aber auch nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher