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Kurbjuweit, Dirk

Kurbjuweit, Dirk

Titel: Kurbjuweit, Dirk
Autoren: Kriegsbraut
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Rosemarie räusperte sich. «Gestern war ich mit den Amerikanern draußen.
Wir sollen das eigentlich nicht. Aber es ergab sich so, da bin ich mitgefahren.
Wir sind ein paar Stunden mit unseren Humvees durch die Gegend gefahren. Ich
habe mich gut mit den Amerikanern unterhalten. Sie waren nett. Dann sind wir
durch ein Dorf gefahren, das sah verlassen aus. Der Kommandeur hat anhalten
lassen. Wir haben abgesessen, es war ganz still. Dann hat ein Baby geschrien. Wir
haben das alle gehört. Zwei sind hingegangen, auch Benjamin, mit dem ich mich
gut unterhalten habe. Sie sind in das Haus rein, die Tür war offen. Dann gab es
einen Riesenkrach, und ein Blitz kam durch die Tür. Ich will Dir nicht alles
schreiben, was dann war. Es war schrecklich. Mir ist nichts geschehen, Du
musst Dir keine Sorgen machen. Aber Du sollst wissen, wie das passiert ist.
Das Baby lag in einer Wiege, und in der Wiege war eine Bombe. Durch den Griff
in die Wiege wurde sie ausgelöst. Die Amerikaner haben mir später gesagt, dass
sie Metallteile gefunden haben. Wahrscheinlich waren die von einem
Kassettenrecorder. Hoffentlich. Aber vielleicht hat das Baby auch gelebt, und
das Schreien war echt. Ich weiß es nicht. Ich beschäftige mich viel mit dieser
Frage. Warum machen sie aus einem Baby eine Bombe? Wir müssen darüber reden,
wenn ich zurück bin. Mach Dir keine Sorgen. In Liebe, Deine Maxi.»
    Rosemarie
stand sofort auf, ging zum Schrank und legte den Brief in die Schublade. Sie
sortierte dort eine Weile, dann kam sie zurück und setzte sich wieder. Sie
schenkte Aleatico nach.
    «Das ist
furchtbar», sagte Esther, «sie hat nie etwas davon erzählt.»
    «Als sie
zurück war, haben wir viel darüber geredet. Sie wurde den Gedanken nicht los,
dass die Taliban das Baby geopfert haben könnten, vielleicht weil es krank war
oder eine Waise. Vielleicht auch weil sie dachten, dass sich der Tod eines
Babys für den Tod von ein, zwei Soldaten lohnen würde. Sie hat das hin- und
hergewälzt.
     
    Ich habe
ihr natürlich gesagt, dass ich das nicht glaube. Bestimmt war das Baby schon
früher gestorben, und die Stimme kam aus dem Kassettenrecorder. Aber Maxi
wollte sich nicht beruhigen lassen. Einen Kassettenrecorder, sagte sie, könne
man auch als Zünder gebrauchen. Sie hatte einen Vietnamfilm gesehen, da hatten
Vietnamesen Kindern die Arme abgehackt, nur weil an den Armen Impfstellen
waren. Die Amerikaner hatten die Kinder gegen irgendeine Krankheit geimpft. So
sind die Taliban auch, sagte sie, genauso. Sie wurde verstockt, ruppig, der
bulgarische Masseur hat es irgendwann nicht mehr ausgehalten. Es war ihr egal,
glaube ich.»
    «Warum ist
sie noch einmal nach Afghanistan gegangen?»
    «Das habe
ich sie auch gefragt. Wie kannst du dahin gehen, wo dein Schmerz herkommt, habe
ich gesagt. Sie hat geschwiegen.»
    «Vielleicht
hat sie gedacht, sie fände dort Heilung, wo der Schmerz herkommt.»
    «Kann
sein. Sie fing an, komische Sachen zu tun.»
    «Was für
Sachen?»
    «Sie ging
zu Esoterikern, aber sie fand nie das Richtige für sich. Ich glaube, sie wollte
eine Bombe für sich finden», sagte Rosemarie, «deshalb ist sie wieder gegangen.»
    «Eine
Bombe, die sie entschärfen konnte, oder eine Bombe, an der sie sterben konnte?»
    «Wahrscheinlich
hatte sie das noch nicht entschieden, als sie ging. Wahrscheinlich wartete sie
erst einmal auf Heilung, so wie du es gesagt hast. Am Telefon sagte sie mir,
dass ihr womöglich eine Fatima helfen könne.»
    Esther
schwieg.
    «Da geht
meine Tochter in einen Krieg, um für etwas zu kämpfen, und bringt sich am Ende
selbst um.»
    «Sie war
sofort tot.»
    «Zwei sind
gestorben, die nicht sterben wollten, habe ich gelesen.»
    «Eine
Mine.»
    «Es ist
ein komischer Krieg.»
    «Das
stimmt.»
    Rosemarie
stand auf, öffnete einen Schrank und nahm ein Bündel heraus, um das braunes
Papier gewickelt war. Eine Kordel hielt es zusammen. «Das hat mir die Bundeswehr
geschickt.» Sie öffnete die Schleife, schlug das Papier zur Seite. «Das ist
eine Burka, oder?»
    «Ja, das
ist eine Burka.»
    «Warum ist
sie bestickt?»
    «Maxi hat
das gemacht.»
    «Aber
warum?»
    «Es sieht
schön aus.»
    «Sehr
schön, sie kann so was. Sie konnte so was.» Rosemarie nahm das Kopfteil hoch.
«Hier ist ein Loch.» Sie steckte den Zeigefinger durch das Loch, zog ihn wieder
raus.
    Esther
fuhr innerlich zusammen.
    «Sieh
mal», sagte Rosemarie und reichte Esther die Burka. Esther sah sich das Loch
an, Rosemarie schenkte Aleatico nach. Das Loch war
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