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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels
Autoren: C Harbach
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kennst du aber
meinen Vater schlecht.«
    »Er kriegt sich schon
wieder ein.«
    Als Henry danach das
ganze Wochenende nichts von Schwartz hörte, war er niedergeschlagen, und es kam
ihm töricht vor, sich überhaupt Hoffnungen gemacht zu haben. Aber am
Montagabend kam sein Vater nach Hause und packte sein ungegessenes Lunchpaket
in den Kühlschrank.
    »Geht’s dir gut,
Liebling?«, erkundigte sich Henrys Mutter.
    »Ich hab auswärts
gegessen.«
    »Wie schön«, sagte sie.
Henry hatte seinen Vater im Laufe der Jahre oft in der Mittagspause besucht:
Egal ob es regnete oder schneite, die Männer saßen draußen auf den Bänken mit
Blick auf die Straße, die Rücken zur Werkstatt, und kauten ihre Sandwiches.
»Mit den Jungs?«
    »Mit Mike Schwartz.«
    Henry sah Sophie an –
manchmal, wenn er selbst keinen Ton herausbrachte, sprach Sophie für ihn. Sie
machte ebenso große Augen wie er. »Ach was!«, sagte sie. »Erzähl doch mal!«
    »Er kreuzte so gegen
Mittag bei der Schlosserei auf. Hat mich zu Murdock’s eingeladen.«
    Bauklötze
staunen war als
Ausdruck möglicherweise nicht stark oder außergewöhnlich genug für das, was in
Henry vorging. Schwartz wohnte in Chicago, was achthundert Kilometer entfernt
war, und er war bei der Schlosserei aufgekreuzt? Und hatte Henrys Vater zu
Murdock’s eingeladen? Und war dann, ohne Henry auch nur davon zu erzählen,
geschweige denn vorbeizukommen und Hallo zu sagen, zurückgefahren?
    »Er ist ein sehr
ernsthafter junger Mann«, sagte sein Vater gerade.
    »Ernsthaft wie in
›Henry kann nach Westish gehen‹? Oder ernsthaft wie in ›Henry kann nicht nach Westish gehen‹?«
    »Henry kann machen, was
er will. Niemand hält ihn davon ab, nach Westish oder sonst wohin zu gehen. Ich
hoffe nur –«
    »Juhu!« Sophie beugte
sich über den Tisch und klatschte ihren Bruder ab. »College!«
    »– dass er sich darüber
im Klaren ist, worauf er sich einlässt. Westish ist keine Nullachtfünfzehn-Uni.
Das Studium ist hart, und das Baseballteam verlangt hundertprozentigen Einsatz.
Wenn Henry es dort schafft …«
    Und Henrys Vater, der
selten mehr als vier Wörter aneinanderreihte, besonders an einem Montagabend,
redete für den Rest des Abendessens weiter von Opferbereitschaft, Leidenschaft,
Verlangen und Detailversessenheit, von der Notwendigkeit, sich Tag für Tag ins
Zeug zu legen wie ein Champion. Er redete genau wie Mike Schwartz, aber er
schien es gar nicht zu merken, und tatsächlich klang er auch zu einem großen
Teil wie er selbst, nur dass er viel mehr Worte machte und, dachte Henry, ein
klein wenig gnädiger war als sonst, was die Talente seines Sohnes betraf. Als
sein Vater aufstand, um seinen Teller zur Spüle zu tragen, klopfte er Henry auf
die Schulter und lächelte breit. »Ich bin stolz auf dich, Junge. Das ist eine
große Chance. Schnapp sie dir.«
    Ein Wunder, dachte Henry.
Mike Schwartz kann Wunder vollbringen. Danach telefonierte er wieder jeden
Abend mit Schwartz, schmiedete Pläne, klärte Details – aber jetzt tat er es
offen, im Wohnzimmer; sein Vater drückte sich in der Nähe herum, hatte den
Fernseher lautlos gestellt und sich eine Zigarette angezündet, hörte zu und
warf Kommentare ein. Manchmal bat Schwartz darum, mit Jim zu sprechen. Henry
reichte ihm dann den Hörer, und später setzte sich sein Vater an den
Schreibtisch und sah sich noch einmal die Steuererklärung der Skrimshanders an.
    »Danke«, sagte Henry an
dem Tag, an dem er sich seine Busfahrkarte besorgt hatte, ganz gefühlsselig in
den Hörer. »Vielen Dank.«
    »Schon gut, Skrim«,
sagte Schwartz. »Jetzt ist Football-Saison, ich werde also ziemlich beschäftigt
sein. Komm du erst mal an. Ich melde mich, okay?«
    »Phumber 405«, sagte die lächelnde Frau. Sie drückte ihm einen
Schlüssel und einen Geländeplan in die Hand und zeigte nach links. »Über den
Kleinen Hof.«
    Henry schlüpfte durch einen schattigen Gang zwischen zwei Gebäuden
und trat hinaus in eine wohlausgeleuchtete und geschäftige Szenerie. Das hier
hatte mit dem Lankton Community College nichts zu tun: Das hier war College wie
im Film. Die Gebäude waren alle von der gleichen Bauweise – jedes vier oder
fünf Stockwerke hoch und aus gedrungenem, grauem, wettergegerbtem Stein, mit
tief liegenden Fenstern und spitzgiebligen Dächern. Fahrradständer und Bänke
waren frisch mit dunkelblauer Farbe gestrichen. Zwei große Typen in kurzen
Hosen und Flipflops taumelten unter dem Gewicht eines gigantischen
Flachbildschirms auf
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