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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels
Autoren: C Harbach
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gesagt hatte. Jetzt ließ er den Blick auf den Asphalt
sinken. Das war das ultimative Opfer oder die ultimative Demütigung oder wie
man es auch nennen wollte – sich nicht mehr als Shortstop sehen zu können.
    »Wenn wir dich an der
Second Base brauchen, spielst du Second. Wenn wir dich im Right Field brauchen,
spielst du Right Field. Alles klar?«
    Dem zuzustimmen, sich
erneut Schwartz’ Forderungen und Maßregelungen zu beugen, war vermutlich nicht
das, was Dr. Rachels vorschwebte. Aber Henry wusste, dass Schwartz recht
hatte.
    Am Ufer hing schlaffer
Nebel und wartete darauf, dass die Sonne ihn fortbrannte. Er nickte. »Alles
klar.«
    Schwarz schloss das VAC auf,
schlüpfte hinein und kehrte wenige Augenblicke später mit einem Schläger, einem
Zwanzig-Liter-Eimer und seinem Fielder-Handschuh zurück. Er warf Henry den
Handschuh zu, und gemeinsam überquerten sie das khakifarbene Trainingsgelände;
Contango tappte beherzt neben ihnen einher. Auf dem Großen Hof, der winzig und
belebt in der Ferne lag, stellten die Mitglieder des studentischen
Empfangskomitees in Erwartung von President Valerie Molinas erster
Eröffnungsansprache Reihen von Klappstühlen auf.
    Schwartz band Contangos
Leine am Zaun fest. Henry zog die First Base, die mit einem Metallpfosten in
der Erde verankert war, heraus und warf sie zur Seite. Er steckte den hölzernen
Stiel der Schaufel in das Loch. Sie passte gut hinein, und ihr Blatt befand
sich auf Brustbeinhöhe, genau dort, wo Ricks ausgestreckter Handschuh sein
würde.
    Er ging auf die
Shortstop-Position und zog Mikes Handschuh über. Seit er neun Jahre alt gewesen
war, hatte er keinen anderen Handschuh als Zero getragen. Dieser fühlte sich
klobig und viel zu groß an, und Schwartz, der immer nur seinen Fanghandschuh
benutzte, hatte ihn nie richtig geschmeidig gemacht. Henry sammelte, was nach
einer Nacht mit Whiskey und Bier und ohne Wasser noch an Speichel in seinem
Mund übrig war, spuckte in die Fangtasche und massierte die Spucke mit der
Faust ein.
    Die Hitze des Sommers
war rekordverdächtig gewesen, und der Regen der letzten Nacht hatte den Boden
des Infields kaum aufweichen können. Er scharrte mit dem Zeh eines Turnschuhs
darin, wippte auf den Fußballen, schüttelte die schmerzenden Glieder.
    Schwartz hielt einen
Ball hoch. »Bereit?«
    Henry nickte. Eine
einsame Möwe glitt über ihnen dahin. Schwartz machte einen trägen Schwung, der
Ball prallte vom Schläger ab und flog in Henrys Richtung, wobei er zweimal
aufsetzte, eine standardmäßige Vorlage. Ein Teil von ihm konnte erkennen, wie
langsam der Ball sich bewegte, und doch war er so schnell bei ihm angelangt,
dass Henry kaum Zeit zum Reagieren blieb. Er warf ihm die Hand mit Schwartz’
Handschuh in den Weg, und der Ball knallte mit einem schmerzhaften, dumpfen
Aufschlag gegen das untere Ende der Tasche. Er griff sich den Ball und drehte
ihn, um die Nähte zu finden, die Finger verkrampft und steif vom Graben. Dann
machte er einen Seitschritt auf das Schaufelblatt zu. Sein Arm fühlte sich
schwer und fremdartig an, als hätte er ihn von einer Leiche geborgt. Komm schon, dachte er. Das eine Mal.
    Der Wurf segelte in
einiger Entfernung am Blatt der Schaufel vorbei und hüpfte ins hohe Gras vor
dem Zaun, wo er liegen blieb. Schwartz bückte sich, um einen weiteren Ball
herauszunehmen.
    Wieder ein langsamer
Aufsetzer, zwei Schritte zur Linken. Henrys Beine fühlten sich schwach an, er
trug Jeans, er war die ganze Nacht wach gewesen. Er streckte Schwartz’
Handschuh aus und pflückte den Ball ungeschickt aus der Luft. Sein Wurf ging
rechts oben an der Schaufel vorbei.
    Der nächste Ball
prallte von einem Kiesel ab und traf ihn am fleischigen Teil der Schulter oder
besser dort, wo der fleischige Teil gewesen war. Er hob ihn auf, ließ ihn
seitwärts zurückschnellen und traf nicht einmal annähernd. Immer neue Bälle
flogen auf ihn zu. Der Morgen war schon jetzt drückend und stickig, und nach
einem Dutzend Aufsetzern war Henry erschöpft, der Schweiß floss in Strömen an
ihm herab, sein Schädel brummte vom Scotch und der durchwachten Nacht, aber
sein Arm wurde lockerer, und die Würfe näherten sich dem Schaufelblatt.
    Schwartz bückte sich,
stand auf und schlug, bückte sich, stand auf und schlug. Er brauchte nicht
mitzuzählen, weil sich in dem Eimer immer genau fünfzig Bälle befanden, aber er
tat es trotzdem. Achtzehn. Neunzehn. Zwanzig. So rostig der Skrimmer auch
wirkte, während seine Turnschuhe auf der Erde
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