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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels
Autoren: C Harbach
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sie seine Unabhängigkeit von Schwartz festigten, der
Dr. Rachels zufolge eine repressive, tyrannische, ödipale Figur in Henrys
Leben darstellte; eine Einschätzung, die sie ein für alle Male bestätigt fand,
als Henry ihr von seiner ersten Begegnung mit Schwartz erzählte und davon, wie
dieser ihn genannt hatte.
    »Muschi«, sagte Dr. Rachels und klopfte voll
kaum verhohlener Freude mit ihrem Bleistift auf die Armlehne ihres Stuhls.
»Bevor ihr euch überhaupt kanntet .«
    Die eine Tat hingegen,
die sich recht mutig anhören mochte – seinen Kopf in die Flugbahn eines
heranpfeifenden Fastballs zu halten –, konnte auch als feige betrachtet werden.
    »Was fällt dir bei dem
Wort Opfer bringen ein?«, fragte Dr. Rachels.
    »Abtropfen lassen.«
    »Geschirr? Salat?«
    »Abtropfen lassen«,
sagte Henry und hielt sich einen imaginären Schläger waagerecht vor die Brust.
Anders als man vielleicht hätte denken können, gab es bei Dr. Rachels kein
Sofa, er saß auf einem starren Holzstuhl. »Den Ball.«
    »Ist das ein Ausdruck
aus dem Baseball? Bilde einen ganzen Satz damit.«
    »Statt den Ball
abtropfen zu lassen, holte ich zum Schlag aus.«
    »Ich finde es
interessant, dass du den Ausdruck abtropfen lassen gewählt hast, so wie jemand sagen würde, mein Leben lassen .
Kennst du diese Passage aus dem Johannes-Evangelium? Niemand
hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. «
    »Ich habe den Ausdruck
nicht gewählt«, sagte Henry. »Abtropfen lassen. Alle sagen das.«
    »Man hat immer eine Wahl«, antwortete Dr. Rachel leicht bissig.
»Aber wer ist Mike Schwartz, dass du dein Leben für ihn lassen musst?«
    »Das muss ich nicht.«
    Sie klatschte in die
Hände. »So ist es! Warum hast du es dann getan? Bist
du vielleicht eine Muschi?«
    Henry hatte einen
Gutteil des Sommers damit zugebracht, sich diese Frage zu stellen, bis sie eine
größere philosophische Tiefe zu haben schien als Die Kunst
des Feldspiels , Marc Aurels Selbstbetrachtungen oder irgendein Band aus Owens zahlreichen Bücherregalen. Er hatte jede Menge
Zeit, sie hin und her zu wenden, zuerst im Krankenhaus in South Carolina und
dann, während er schlangenförmige Reihen silberner Einkaufswagen über den
Parkplatz des Piggly-Wiggly-Supermarkts in Lankton schob, wie er es erst
gestern getan hatte und wie es für morgen wieder auf dem Programm stand.
    Jetzt steckte er die
Hand in die Gesäßtasche seiner Jeans, zog ein Papierknäuel heraus und gab es
Schwartz. »Davon hast du wahrscheinlich gehört«, sagte er.
    Schwartz faltete den
Vertrag auseinander und blätterte ihn durch. Da stand es schwarz auf weiß:
$ 100 000,00. Er gab ihn Henry zurück. »Du solltest
den abschicken«, sagte er. »Der August ist fast vorbei.«
    »Ich will ihn nicht
abschicken«, sagte Henry. »Ich will zurückkommen.«
    »Dann komm doch zurück.
Du bist noch eingeschrieben.«
    »Ich will spielen.«
    Schwartz entdeckte
etwas Interessantes unter seinem linken Daumennagel und untersuchte es
eingehend.
    »Starblind spielt in
der Minor League«, sagte Henry. »Owen ist nach Japan unterwegs. Rick ist als
Einziger kein Frischling, und Rick hat es nicht drauf. Du brauchst jemanden,
der die Mannschaft führt. Einen Kapitän.«
    Schwartz knibbelte
weiter an seinem Daumennagel herum. Einfach würde er es Henry nicht machen.
    »Du bist jetzt ein
Angestellter mit ordnungsgemäßem Gehalt«, fuhr Henry fort. »Es wäre gegen die
Vorschriften, wenn du das Fitnesstraining außerhalb der Saison leiten würdest.
Wer soll den Jungs von heute an jeden Tag die Hölle heiß machen, bis das
reguläre Training anfängt? Wer soll sie zum Kotzen bringen?«
    Schwartz hob den Blick
und heftete ihn auf Henry. »Coach Cox und ich ernennen dich also zum Kapitän,
eine Zeitlang ist alles gut, und plötzlich hast du wieder Probleme. Was dann?«
    Henry versuchte zu
antworten, aber Schwartz unterbrach ihn. »Wenn du diesen Vertrag abschickst,
kannst du dich rund um die Uhr auf dich und dein Spiel konzentrieren. Wenn du
hier bist, sieht das ganz anders aus.«
    »Ich weiß.«
    »Egal was mit deinem
Arm ist, egal was mit deinem Kopf ist, es spielt keine Rolle. Das Wohl der
Mannschaft ist auch dein Wohl.«
    Schwartz sah Henry in
die Augen, drehte den Blick auf.
    »Und es ist nicht
gesagt, dass du den Job zurückkriegst. Wir haben mit Izzy als Shortstop eine
Nationalmeisterschaft gewonnen. Was mich betrifft, ist es seine Position.«
    Henry hatte zu allem
genickt, was Schwartz
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