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Kunst des Feldspiels

Kunst des Feldspiels

Titel: Kunst des Feldspiels
Autoren: C Harbach
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einen
perfekten Wurf.
    Manchmal beharrte der
Coach darauf, ihn an der Second Base zu platzieren, oder ließ ihn gleich auf
der Bank sitzen; so mickrig und mitleiderregend sah er aus. Aber nach einer
Reihe von Trainingseinheiten oder Spielen – zwei oder zwölf oder zwanzig, je
nach Sturheit des Trainers – landete er immer dort, wo er hingehörte, nämlich
an der Shortstop-Position, und seine düstere Laune verzog sich.
    Als er auf die
Highschool kam, ging es im Prinzip genauso weiter. Coach Hinterberg erzählte
ihm später, er habe bis zur letzten Viertelstunde des Probetrainings vorgehabt,
ihn abzusägen. Dann sah er aus dem Augenwinkel, wie Henry nach einem
Hechtsprung einen weiß glühenden Linedrive aus der Luft pflückte, während er
flach auf dem Bauch lag, und dann den Ball hinter seinem Kopf entlang in die
Hände des erschütterten Second Baseman schnipste: zwei Spieler raus. Die zweite
Schulmannschaft bekam in diesem Jahr einen Extraspieler, und der Extraspieler
trug ein nagelneues, extrakleines Trikot.
    Zu Beginn des dritten
Jahres war er bereits der Stamm-Shortstop der ersten Mannschaft. Nach jedem
Spiel fragte ihn seine Mutter, wie viele Fehler er gemacht habe, und die
Antwort war stets »Zero«. Im Sommer spielte er dann in einer Mannschaft, die
von der örtlichen American Legion gesponsert wurde. Seine Arbeitszeiten beim
Piggly-Wiggly-Supermarkt legte er so, dass er an den Wochenenden zu Turnieren
fahren konnte. Endlich musste er sich nicht mehr beweisen. Seine Teamkollegen
und Coach Hinterberg wussten, dass er ihnen, selbst wenn er keine Home Runs
schlug – noch niemals einen geschlagen hatte –, dennoch helfen würde zu
gewinnen.
    Doch während der Saison
seines letzten Highschool-Jahrs überkam ihn Traurigkeit. Er spielte besser denn
je, aber mit jedem Inning, das vorüberging, rückte das Ende näher. Er machte
sich keine Hoffnungen, im College weiterspielen zu können. College-Coaches
waren wie Mädchen: Ihre Augen richteten sich sofort auf die großen, muskulösen
Typen, ganz egal was sie tatsächlich taugten. So wie Andy Tsade etwa, der First
Baseman in Henrys Sommermannschaft, der mit einem Stipendium an die
St. Paul State ging. Andys Arm war Durchschnitt, seine Beinarbeit
schlampig, und er schaute immer zu Henry, damit der ihm sagte, wo er hinspielen
sollte. Er hatte nie Die Kunst des Feldspiels gelesen. Aber er war groß und Linkshänder und prügelte gelegentlich einen Ball
über den Zaun. Einmal hatte er in Anwesenheit des Coachs von St. Paul
einen über den Zaun geprügelt, deshalb konnte er nun weitere vier Jahre lang
Baseball spielen.
    Henrys Vater wollte,
dass er in der Schlosserei arbeitete; zwei Angestellte würden Ende des Jahres
in Rente gehen. Henry sagte, er wolle vielleicht für ein paar Jahre ans Lankton
Community College gehen, Kurse in Buchhaltung und Rechnungswesen belegen.
Einige seiner Klassenkameraden gingen ans College, um ihre Berufsziele zu
erreichen, andere hatten gar keine Ziele, suchten sich einfach einen Job und
tranken Bier. Er konnte sich mit beidem nicht identifizieren. Er hatte immer
nur Baseball spielen wollen.
    Das Turnier in Peoria
war das letzte des Sommers gewesen. Henry und seine Teamkameraden hatten im
Halbfinale gegen eine unheimlich schlagkräftige Mannschaft aus Chicago
verloren. Danach war er zurück zur Shortstop-Position getrabt, um sich zu
Trainingszwecken fünfzig Aufsetzer zuspielen zu lassen, wie er es immer machte.
Es gab nichts mehr, wofür er hätte trainieren müssen, keinen Grund, sich zu
verbessern, aber das hieß nicht, dass er es nicht trotzdem wollte. Während
Coach Hinterberg versuchte, den Ball an ihm vorbeizudreschen, entwarf Henry im
Kopf dasselbe Szenario wie immer: Er war Shortstop der St. Louis Cardinals
und spielte in Spiel 7 der World Series im Yankee-Stadion
gegen die Yankees, die mit einem Punkt führten, zwei Outs hatten und Läufer auf
allen Bases. Das letzte Spiel, es ging um alles.
    Als er gerade Zero in
die Tasche packte, fasste ihn eine Hand an der Schulter und drehte ihn. Er sah
sich, von Angesicht zu Angesicht – vielmehr von Angesicht zu Hals, da der
andere größer war und Spikes trug – dem Fänger des Teams aus Chicago gegenüber.
Henry erkannte ihn sofort: Während des Spiels hatte er Henry den Wurf angesagt
und ihn dann beleidigt. Außerdem hatte er einen Home Run geschlagen, der in
knapp zehn Metern Höhe über die hintere Mauer des Sportplatzes geflogen war.
Jetzt richteten sich seine großen
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