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Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer

Titel: Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer
Autoren: Wladimir Kaminer
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sagte der Mann.
     
»Aber wir sind total überfüllt. Könnt ihr nicht ein bisschen warten?«
    »Wir sind Georgier, wir können nicht warten«, sagte er mit erhobenem Finger. »Ich sehe, ihr seid genau der richtige Ort, ich sehe, ihr habt eine sehr gute Disko!«, versuchte er sich bei unserem Türsteher einzukratzen.
»Wir sind rappelvoll, ich kann euch nicht reinlassen«, sagte der Türsteher.
    »Du verstehst nicht«, erklärte der ältere Georgier, »meine beiden Söhne haben sich verliebt, wir müssen sofort darüber reden. Und ich sehe, ihr seid so eine wunderbare Disko, alles intelligente Menschen. Wir setzen uns dort in die Ecke.«
Alle drei sahen so anständig aus, außerdem noch verliebt, da kann kein Türsteher Nein sagen.
    Die drei Georgier setzten sich an den Tresen und bestellten alkoholfreies Bier. Kaum waren fünf Minuten vergangen, da schubsten sich die beiden jungen Männer vom Hocker und schlugen aufeinander ein. Das alkoholfreie Bier flog durch die Gegend. Durch den selbstlosen Einsatz unseres Türstehers wurde das Trio auf die Straße gesetzt. Zehn Minuten später standen alle drei wieder vor dem Eingang und grinsten freundlich.
    »Es wird nicht wieder vorkommen!«, sagte der ältere Herr. »Ich sehe, ihr habt Klasse hier, alles intelligente Menschen, genau die richtige Disko, wo wir ungestört plaudern können…«
    »Nein, vergiss es«, schüttelte der Türsteher den Kopf, »mit dieser Masche kommst du nicht noch mal hier rein. Ihr habt doch schon geplaudert, ich habe nicht verstanden, worum es ging.«
    »Um die Liebe!«, rief der alte Herr. »O weh, was bin ich für ein armer Mann, meine beiden Söhne haben sich verliebt!«
»Na und? Was ist das Problem?«, hakte der Türsteher nach.
»Sie haben sich in die gleiche Frau verliebt, das ist das Problem!«, erklärte der Alte.
     
»Und was sagt die Frau?«, mischte ich mich ein.
    »Sie sagt: ›Ich weiß nicht! Ihr seid beide so toll, ich kann mich nicht entscheiden!‹ Also lasst uns bitte rein, wir müssen das in Ruhe besprechen. Ich habe die beiden jetzt im Griff, wir werden ganz leise sein.«
    Beide Söhne versprachen, auch im Namen des Vaters, sich zu benehmen. Wir ließen die Verliebten herein. Sie setzten sich wieder an den Tresen und bestellten alkoholfreies Bier. Keine fünf Minuten später lag der eine erneut auf dem Boden, sein Bruder lag auf ihm und würgte ihn mit beiden Händen, obendrauf hockte der aufgebrachte Vater mit Hut. Die Pfütze aus alkoholfreiem Bier wurde immer größer. Mit Mühe und Not wurden die Verliebten getrennt und auf die Straße gezerrt.
    »Ich sehe, ihr seid eine Scheißdisko!«, rief der Vater, sein Hut hatte durch das alkoholfreie Bier eine ganz andere Form bekommen. »Eine schlechte Disko mit schlechten Menschen! Man kann sich hier überhaupt nicht unterhalten. Dann gehen wir lieber gleich zum Türken am Rosenthaler Platz!«
    Nachts gibt es dort nur wenig Leute, aber viel Platz, Plastikmöbel und scharfes Geschirr, Döner, keinen Alkohol, nicht mal alkoholfreies Bier. Genau der richtige Ort, um über die Liebe zu reden.

Chartscho
    »Willst du es scharf haben, schick oder eher exotisch?«, fragte mich meine Frau. Wir standen an einer belebten Kreuzung mitten in Moskau und konnten uns nicht entscheiden. Früher wurden die meisten gastronomischen Einrichtungen in der Stadt nach den Republiken oder Städten benannt, deren Küche sie repräsentierten. Heute tragen die meisten Restaurants Fantasienamen, die nichts über ihren kulinarischen Inhalt verraten. Von unserer Kreuzung aus konnte man drei Lokale sehen: »Schesch-Besch«, »Kisch Misch« und »Chitto Gritto«. Sie klangen alle scharf, schick und exotisch. Wir entschieden uns für das Letztere. Es entpuppte sich als georgisches Restaurant.
    »Lamm ist heute nicht gekommen«, erklärte uns der schnurrbärtige Kellner die Speisekarte auf unverwechselbar georgische Art. »Aber Rind ist gekommen, und Kaninchen ist gekommen.«
    Wir überlegten.
»Ist Weißwein gekommen?«, fragte meine Frau.
Der Kellner zuckte mit den Schultern. »Weißwein ist vorgestern
gegangen, aber Rotwein ist gekommen«, antwortete er. Wir waren ein wenig sauer auf den Weißwein, dass er so plötzlich gegangen war, ohne auf uns zu warten.
     
»Was würden Sie uns denn empfehlen?«, fragte ich.
     
»Chartscho«, sagte der Kellner sehr überzeugend. »Chartscho ist gerade gekommen.«
     
»Das ist ja hier wie auf dem Bahnhof«, bemerkte meine Frau, »alles kommt und geht und macht, was es
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