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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas
Autoren: Deborah Powell
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einer
    Schlangenfrau
    stehenließ,
    die
    mit
    einem
    Wanderzirkus in die Stadt kam. Lily war mit der wie
    vor den Kopf geschlagenen Betrogenen nach Paris
    gereist, damit die sich von ihrem Kummer erholen
    konnte – und von der Peinlichkeit, wegen eines
    Weibsbilds sitzengelassen zu werden, die mit ihren
    Pastetchen wackeln konnte wie ein Paar Eselsohren
    im Fliegenschwarm.
    Kaum war Lily in Paris angekommen, hatte
    jemand sie dieser blasierten Spinnerin Gertrude Stein
    und deren Geliebter mit dem spitzen Gesicht
    vorgestellt. Jetzt war Lily also überm Teich und haute
    mit einem Haufen auf Künstlerin machenden Typen
    und Erbinnen auf den Putz, die keinen einzigen Tag
    in ihrem Leben gearbeitet und nichts anderes zu tun
    23
    hatten, als herumzuhängen und sich hochtrabend
    über Kunst, Literatur und den Spanischen
    Bürgerkrieg auszulassen. Alle paar Tage bekam ich
    einen Brief oder ein Telegramm, in dem es um
    irgendeine Villa ging, in der sie gerade wohnte, oder
    irgend etwas Schlaues, das jemand gesagt hatte. Ich
    sah sie regelrecht vor mir – eine Blase kubistischer
    Intellektueller mit vorstehenden Zähnen und dünnen
    Haarbüscheln, die herumhingen und sich gegenseitig
    mit großen Worten und zusammengewürfelten
    Gemälden blauen Dunst vormachten.
    Ich war froh, daß sich drüben in Europa jemand
    großartig amüsierte. Einige von uns mußten
    hierbleiben und weiter mit den Ganoven, Betrügern,
    Glücksspielern, Mördern und korrupten Polypen
    fertigwerden. Der springende Punkt war, Lily war
    seit über drei Monaten weg, und ich wurde
    allmählich etwas gereizt.
    Ich rammte den Starter rein, brachte den Ford auf
    Touren und brauste mit unnötig kreischenden Reifen
    die Straße nach Norden, Richtung Heights. Ich nahm
    den Waugh Drive und überquerte den Buffalo Bayou,
    bevor ich nach Osten bog und mich zur Bayland
    Avenue durchschlängelte. Der Nachthimmel wurde
    heller und sah wie ein Gemälde von Maxfield Parrish
    aus, als ich den Wagen gegenüber von Bayland
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    Avenue 810, einem kleinen, grauen, viktorianischen
    Holzhaus, parkte.
    »Du bleibst hier«, flüsterte ich Anice zu, als ich
    ausstieg und leise die Tür schloß. Ich huschte über die
    Straße und spähte durch die Fenster auf der linken
    Hausseite ins billig möblierte Wohnzimmer. Geduckt
    schlich ich über die Vorderveranda zur anderen Seite.
    Ich hob den Kopf nur so weit, daß meine Augen über
    den Fenstersims linsten. In einem Doppelbett
    schnarchte leise eine Frau mit Krauskopf. Mrs.
    Stovall, nahm ich an, die Frau des toten Mannes. Das
    Interessanteste im Zimmer allerdings war die
    dänische Dogge, die fünf Zentimeter vor meiner
    Nase stand. Sie betrachtete mich dabei, wie ich sie
    betrachtete. Ich erstarrte. Ihre Oberlippe glitt
    langsam über die Reißzähne zurück, während sich
    seine Schnauze runzelte und seine Augen sich zu
    Schlitzen verengten. Ein Rumpeln wie von einem
    entfernten Zug ertönte tief in ihrer Brust und kam in
    Fahrt, als es in ihrer Kehle hochstieg. Ich wartete
    nicht ab, wie es sich anhören würde, wenn sie das
    Maul aufmachte.
    Ich machte kehrt und rannte, wobei ich in einen
    Hundehaufen trat, der so groß war, daß römische
    Senatoren sich davorstellen und Reden über Cäsar
    hätten halten können. Ein stechender Schmerz fuhr
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    mir durchs rechte Knie, als ich vom Bordstein sprang
    und zum Wagen hechtete. Ich hielt mich nicht mit
    der Tür auf. Durchs Fenster ging es schneller – ich
    tauchte durch wie ein Baseballspieler auf dem Weg
    zur Heimbase. Irgendwie schaffte ich es, richtig
    herum hochzukommen, ließ den Motor an und hob
    ab, als gerade das Verandalicht am grauen Haus
    anging. Anice hing aus ihrem Fenster und bellte wie
    wild die dänische Dogge an, die das Fliegengitter
    vom Fenster gefetzt hatte und auf der Straße hinter
    uns her raste. Mein Herz fühlte sich an, als hätte es
    seit dem Prozeß gegen den Lehrer Scopes, der Kinder
    aufklärte, daß der Mensch vom Affen abstammt,
    keinen Schlag mehr getan. Ich war völlig in kaltem
    Schweiß gebadet, als wir die Kurve auf zwei
    kreischenden Reifen nahmen, und trat das Gaspedal
    bis zum Anschlag durch. Wahrscheinlich konnte sich
    die dänische Dogge nicht durch den ganzen Wagen
    fressen, um zu uns vorzudringen, aber bei dem
    Versuch würde sie schätzungsweise das komplette
    Heck mitnehmen.
    Verdammt und zugenäht, warum hatte ich nicht
    gleich eine Kanone abgefeuert, damit alle
    mitkriegten, daß ich in der Gegend war?
    Ich hielt an einer
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