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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas
Autoren: Deborah Powell
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er in meinem Bett macht.«
    Das klang dumpf und unheimlich, wie bei einer
    schönen Frau in einem Vampirfilm, die plötzlich
    blutige Reißzähne bekommt und alle anfällt.
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    »Charlotte, ich möchte, daß du tief durchatmest
    und von vorn anfängst – mal sehen, ob du mir
    erzählen kannst, was passiert ist.«
    Vielleicht hatte sie bloß einen Hitzekoller. Die
    Leute gehen hoch wie Leuchtraketen, wenn es so
    heiß ist. Es war die Sorte Sommer, wo Männer
    rausgingen, um sich gegenseitig abzuknallen, und
    ihre Frauen blieben zu Hause und beteten, daß der
    andere Kerl eine bessere Zielscheibe finden würde.
    Sie atmete tief durch und fing nochmal an. »In
    meinem Bett ist ein Mann. Er ist tot. Jemand hat ihn
    umgebracht, und er hat Blut im Gesicht, und du mußt
    herkommen und ihn rausschaffen, bevor ich anfange
    zu schreien!« schrie sie.
    Na prima. Sie tickte nicht mehr richtig. »Hör mal,
    Charlotte. Nimm eine kalte Dusche, trink etwas
    Eistee und schluck ein paar Aspirin. Dann geht’s dir
    wieder gut.«
    »Hollis! Ich bilde mir das nicht ein. In meinem Bett
    liegt wirklich ein toter Mann.« Sie schluchzte laut.
    »Schon gut. Schon gut. Bin schon unterwegs, ich
    muß mich nur schnell anziehen.«
    Ich sprang aus dem Bett, stürmte Schubladen
    knallend und Türen aufreißend durchs Zimmer und
    klaubte Kleidungsstücke zusammen.
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    Mit all dem Lärm hatte ich meine Hündin Anice
    geweckt. Sie lag eingerollt auf dem Kissen und
    beobachtete mich aus kleinen, zusammengekniffenen
    Augenschlitzen. Sie war ohnehin sauer auf mich, weil
    ich sie gestern abend nicht in Prince’s Autorestaurant
    an der South Main Street zu einem Becher Vanilleeis
    ausgeführt hatte. Es gefiel ihr, den Kellnerinnen in
    den glänzenden Tambourmajor-Kostümen einen
    Schreck einzujagen, wenn sie rauskamen, um unsere
    Bestellung aufzunehmen. Sie pflegte still auf meinem
    Schoß zu sitzen, bis eine Bedienung direkt am Fenster
    war, machte dann einen Satz vorwärts und kläffte
    schrill. Anice fand das ziemlich witzig. Die Mädchen
    und die Geschäftsleitung fanden das nicht. Sie hatten
    uns gebeten, nicht wiederzukommen.
    Ich schlüpfte in eine hellbraune Hose, ein weißes
    Baumwollpolohemd
    und
    mexikanische
    Ledersandalen, dann putzte ich mir die Zähne. Bis
    ich angezogen war, döste Anice schon wieder. Als
    ich sie hochnahm, biß sie mich tot unter dem
    Vorwand, ich hätte sie im Schlaf überrascht. Sie war
    eindeutig immer noch sauer wegen der Eis-
    Geschichte.
    Wir trabten zu meinem Schlitten und nahmen die
    Woodhead nach Süden. Charlotte wohnte über einer
    Garage in einer nur einen Block langen Gasse parallel
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    zum South Boulevard. Zu dieser nächtlichen Stunde
    war kein anderes Auto unterwegs, und ich war in
    Rekordzeit da.
    Ich stellte die Scheinwerfer aus, als ich in die Gasse
    bog, und hielt an der Rückseite von Charlottes
    Wohnung. Riesige Eichen und Platanen warfen
    tagsüber ihre Schatten auf das Haus und ließen
    nachts das Mondlicht nicht durch. Es war finsterer als
    ein Anwaltsherz, und ich konnte absolut nichts
    sehen, als ich das hohe Holztor zum Hof öffnete.
    Etwas streifte meine Schulter, und ich quietschte
    wie abgefahrene Reifen auf Asphalt.
    »Bist du’s, Hollis?« flüsterte Charlotte irgendwo
    rechts von mir.
    »Ja.«
    »Gott sei Dank!«
    »Laß uns raufgehen und nachsehen, was los ist.«
    Meine Augen gewöhnten sich allmählich an die
    Lichtverhältnisse, aber kaum waren wir in der
    dunklen Wohnung, fiel ich prompt über einen Sessel.
    »Bist du in Ordnung?« flüsterte sie und half mir
    hoch.
    »Ja, verflucht noch mal«, zischte ich. »Was zum
    Teufel fällt dir ein, diesen Sessel einfach so mitten im
    Zimmer stehenzulassen? Ich habe mir um ein Haar
    das Genick gebrochen, das ist alles.«
    10
    »Wo zum Teufel soll ich ihn sonst hinstellen?«
    fragte sie hysterisch.
    Ich ließ das Thema fallen, weil ich irgendwie den
    Eindruck hatte, daß dies weder die Zeit noch der Ort
    für einen Vortrag über Inneneinrichtung war. Wir
    tappten ins Schlafzimmer und zogen die Vorhänge
    zu. Ich knipste eine Stehlampe neben dem Bett an.
    Wer immer es war, er war einwandfrei tot. Er hatte
    einen sauberen, runden, schwarzen Punkt mitten auf
    der Stirn.
    »Wurde er erschossen? Ist das ein Einschußloch?«
    fragte Charlotte mit bebender Stimme.
    »Na ja, ich will mal so sagen – es ist nicht der rote
    Hindu-Punkt«, erläuterte ich, während ich die Leiche
    anstarrte. Er war wahrscheinlich Mitte bis Ende
    fünfzig, hatte
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