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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas
Autoren: Deborah Powell
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nackten Füßen, die
    zur Musik zuckten. Seine Augen waren geschlossen,
    und sein hellbraunes Haar hing ihm schlaff in die
    Stirn, während sich seine Finger auf den Klappen auf
    und ab bewegten. Ich erwog, hallo zu sagen,
    entschied aber, daß es zu heiß war, um leeres Stroh
    zu dreschen, also ging ich statt dessen in den
    Vorgarten, um die Zeitungen einzusammeln. Ich
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    nahm alle drei – The Chronicle, The Post und The
    Times, das ist die, wo ich arbeitete. Ich las den
    Chronicle und die Post, um sicherzugehen, daß mir
    beim Berichten über das kriminelle Treiben in
    Houston niemand den Rang ablief. Und glauben Sie
    mir, es gab jede Menge zu berichten.
    Bei uns waren die Ganoven nicht so schnieke wie
    in Chicago oder im Osten, aber wir hatten reichlich
    davon. Es gab immer noch Schwarzhändler, obwohl
    die Prohibition seit vier Jahren aufgehoben war.
    Schwarzgebrannter Fusel war steuerfrei und um
    einiges billiger als der legale, und viele Leute kauften
    lieber das billigere Zeug. Die Hauptaktivität der
    hiesigen
    Unterwelt
    bestand
    allerdings
    im
    Glücksspiel. Es gab eine Menge armer Leute, die
    einen schnellen Dollar machen wollten, und die
    Chance, beim Spielen reich zu werden, war da. Die
    Aussicht auf Erfolg war minimal, aber die meisten
    Leute brauchten dringend Geld, und das seit dem
    Kurssturz an der Wall-Street 1929.
    In Houston gab es für jeden etwas – Pferdewetten,
    Buchmacher an jeder Ecke, Spielautomaten,
    Murmelbahnen,
    Lotteriebretter,
    Würfelspiel,
    Roulette, Blackjack, Bingo. Alles, was das Herz
    begehrt.
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    Und es gab Kredithaie, die fünfzig Prozent Zinsen
    verlangten plus gebrochene Knochen für diejenigen,
    die die Wucherzinsen nicht zahlten. Schieber
    betätigten sich im Güterkraftverkehr, Verkauf,
    Ölgeschäft, in der Schiffsbeladung, in Reedereien und
    jeder anderen Branche in der Stadt. Sie waren
    hereingekrochen wie Schimmel in ein altes,
    verlassenes Haus. Und es gab keine Möglichkeit, sie
    wieder loszuwerden. Die Geschäfte wurden ganz
    oben gemacht, und Bestechung war an der
    Tagesordnung.
    Anders als die Gangster im Norden waren die
    Gauner im Süden nicht organisiert, aber sie waren
    stark genug, um die Banden fernzuhalten. Bei uns
    gab es Schieber, Spieler, korrupte Polypen und auf
    großem Fuß lebende Politiker statt »Familien«,
    Banden und ehrenwerter Gesellschaften. Aber sie
    arbeiteten alle zusammen. Nehmen wir zum Beispiel
    die Spielautomaten. Sie waren gesetzeswidrig,
    standen aber offen in jedem Laden in der Stadt – in
    Cafés,
    Drugstores,
    Billardsalons
    und
    Lebensmittelgeschäften. Wer einen aufstellte, mußte
    zum Gericht, um eine Konzession zu kaufen. Die
    Gebühr betrug fünfzehn Dollar in der Woche pro
    Automat – fünf für den Staatsanwalt, fünf für den
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    Sheriff und fünf für das gute alte Houstoner
    Polizeipräsidium.
    Und ich schrieb darüber. Es war mein
    Spezialgebiet.
    Ich stand in meinem Vorgarten und sah mir die
    Nachbarschaft an. Kleine alte Damen und Männer
    mittleren Alters waren draußen, gossen ihre
    Rasenflächen und rupften Unkraut aus, das in dem
    subtropischen Klima über Nacht aus dem Boden
    schoß. Wenn alle Leute Houston räumen würden,
    brauchte die Natur nicht länger als fünf Jahre, um
    sich ihren rechtmäßigen Besitz wieder unter die
    Wurzel zu reißen – mit wuchernden Kletterpflanzen,
    großen, schwarzen, mysteriösen Bäumen und
    schmatzenden, sumpfigen Flußarmen.
    »Hallo, Hollis«, kreischte die überschnappende
    Stimme einer alten Dame aus dem Garten des
    eingeschossigen, gelbbraunen Backsteinbungalows
    gegenüber. Es dauerte einen Augenblick, bis ich sie
    drüben bei ihren preisgekrönten Gladiolen entdeckte.
    Sie war lang und dürr, hatte einen krummen Rücken
    und dünne, graue Locken.
    »Wie geht’s, Miss Mag?«
    »Nicht übel. Mal wieder Gangster gesehen,
    Hollis?«
    »Andauernd, Miss Mag, andauernd.«
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    »Ich habe Sie neulich drüben in der Huldy
    gesehen, wie Sie mit den Polizisten geredet haben,
    als bei diesem Buchmacherladen aus dem Fenster im
    ersten Stock auf den Banditen geschossen wurde. Ich
    dachte mir doch, daß in dem Haus ein Buchmacher
    war. Seit Monaten erzähle ich Mrs. Frazier, daß diese
    Leute nichts Gutes im Schilde führen. Seien Sie bloß
    vorsichtig, Hollis, nicht daß Sie eines Tages
    erschossen werden.«
    Es war sonnenklar, daß sie ein makaberes
    Vergnügen an der Aussicht hatte, irgendein
    tollwütiger Killer würde mir die Lampe ausblasen.
    Mit kaltblütiger Gier,
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