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Kristall der Macht

Kristall der Macht

Titel: Kristall der Macht
Autoren: Monika Felten
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das Grauen und dachte an ihre Schwester, die all das nicht hatte verhindern können.

2
    Die Festung brannte.
    Rauch und Asche verdunkelten die aufgehende Sonne. Es roch nach schwelendem Holz und verbranntem Fleisch, nach geronnenem Blut und dem Schweiß der Krieger, die sich den Angreifern mit dem Mut der Verzweiflung entgegenwarfen, weil nicht verloren gegeben werden durfte, was doch längst schon verloren war.
    Prinz Kavan stand auf der Brustwehr des inneren Rings aus hölzernen Palisaden und starrte auf das, was noch vor zwei Tagen das Herzstück der westlichen Verteidigungslinie gewesen war. Vor ihm, jenseits der lodernden Feuerstürme, die mit ihren glutheißen Flammenzungen in den Unterkünften der Krieger und über den Resten der äußeren Palisaden wüteten, lagen das grüne Schwemmland des Gonwe und dahinter die unfruchtbare Steppe Baha-Uddins; hinter ihm schlängelte sich der Gonwe hin zum fruchtbaren Land seiner Ahnen, das zu beschützen er bei seinem Leben geschworen hatte.
    Bei seinem Leben …
    Kavan ballte die Fäuste. Er hatte versagt, und das Wissen darum nährte den Hass auf die Rakschun, die sein Volk seit vielen Jahren bedrängten und ihm keinen Frieden gönnten. Tausende tapferer Krieger hatten in den zermürbenden Scharmützeln und heimtückischen Überfällen entlang der Grenze bereits ihr Leben gelassen. Gesunde und kräftige Männer, die nun nicht länger für ihre Familien sorgen und keinen Nachwuchs zeugen konnten.
    König Azenor würde die Augen nicht mehr lange vor der Wahrheit verschließen können. Baha-Uddin blutete aus, und selbst wenn dieser Kampf doch noch gewonnen werden konnte, schien es nur eine Frage der Zeit, bis man gezwungen war, auch Frauen und Kinder zu den Waffen zu rufen.
    Kavan seufzte und dachte zurück an die Zeit, als alles begonnen hatte. Damals, als die ersten Rakschun in kleinen ungeordneten Rebellentruppen gegen die Herrschaft des Königs aufbegehrt und die Brücke über den Fluss zu zerstören versucht hatten, waren es ausschließlich Freiwillige gewesen, die die Straßen und die Brücke gesichert hatten, auf der kostbare Erze und Minerale aus den Bergen zu den Städten an der Küste transportiert wurden. Abenteurer und Söldner, die es für ihre Bestimmung hielten, ihre Heimat zu beschützen.
    In den vergangenen Jahren waren die Angriffe immer heftiger geworden. Die Brücke musste mit einer Festung geschützt werden, und die Erztransporte erhielten eine Eskorte der königlichen Truppen. Gleichzeitig war aber auch die Stärke der Angreifer sprunghaft gestiegen, und die Zahl der Verteidiger war fast so rasch dahingeschmolzen wie der Schnee im Frühling. Angesichts der schrecklichen Verluste hatte König Azenor keinen anderen Ausweg gesehen, als alle jungen Männer des Landes zur Sicherung der Grenze zu verpflichten – ein Entschluss, der die Rakschun zunächst überrascht hatte.
    Das massive Aufgebot an frischen Truppen hatte den Angreifern empfindliche Verluste eingebracht. Es war den königlichen Kriegern sogar gelungen, die Rakschun aus ihren Lagern in der Steppe zu vertreiben und den fortwährenden Angriffen ein Ende zu bereiten.
    Einige Offiziere hatten sich schon siegreich gewähnt, aber bald erfahren müssen, dass sie sich geirrt hatten. Nur ein halbes Jahr später hatten die Kundschafter in der Steppe das gewaltigste Rakschunheer entdeckt, das jemals gegen Baha-Uddin aufgeboten worden war, und obwohl die Generäle in aller Eile mit den Vorbereitungen zur Verteidigung begonnen hatten, hatten die Truppen des Königs der Wucht und dem Zorn der heranstürmenden Rakschun kaum etwas entgegensetzen können.
    Und nun das Ende … Kavan seufzte.
    Über das Knistern und Fauchen der Flammen hinweg lauschte er dem Klirren der Waffen und den Todesschreien seiner Mannen. Die Gewissheit, dass er versagt hatte und dass sein Vater einen Rückzug niemals dulden würde, bewegte seine Gedanken. Im Königreich Baha-Uddin gab es keinen Platz für Feiglinge und Versager, auch dann nicht, wenn sie von königlichem Blut waren. Wer sein Leben in diesen dunklen Zeiten nicht auf dem Feld der Ehre für seine Heimat hingab, den erwarteten daheim Schande und Verachtung. Wer vor dem Feind floh, wurde gnadenlos verfolgt und dem Henker übergeben.
    Kavan seufzte. In einer unbewussten Bewegung hob er die Hand und tastete nach seinem Schwert, wohl wissend, dass es für ihn keine Rückkehr gab. Er würde sterben, so wie seine Männer. Sterben …
    Erschaudernd fragte er sich, wie es wohl
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