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Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 01 - Die Fruehzeit
Autoren: Karlheinz Deschner
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nichts als ein Teilgebiet der Gesamtgeschichte, versteckt sie sich auch, im Unterschied zu dieser, als »Heilsgeschichte« gern hinter »Gottes Heilshandeln«, dem »Miteinander von göttlicher Huld und menschlicher Schuld« (Bläser), hinter der providentia, metaphysischer Tiefgründigkeit – dem Mysterium. 12
    Katholische Theologen leisten dabei oft Stupendes. Für Hans Urs von Balthasar etwa, einst Jesuit und nach seinem Ordensbruder Karl Rahner als bedeutendster katholischer Theologe des Jahrhunderts eingeschätzt, ist der innerste Vorgang der Geschichte die »Ergießung« des »Samen Gottes ... in den Schoß der Welt hinein ... Zeugung und Empfängnis aber vollziehen sich in einer Haltung äußerster Preisgegebenheit und Übersichtslosigkeit ... Die Kirche und die Seele, die den Namen des Wortes und des Sinnes empfangen, können ihn nur in einer fraulichen Öffnung und Bereitschaft entgegennehmen, die sich nicht sträubt, nicht krampft, keine männliche Gegenleistung versucht, vielmehr im Dunkeln sich gibt.« 13
    In Wirklichkeit hängt diese so mysteriös – und hier so peinlich – vernebelte, angeblich historisch-kritisch getriebene, tatsächlich unter Verzicht auf (rationale) Erkenntnis fabulierte »Heilsgeschichte« untrennbar mit der Geschichte überhaupt zusammen, ja, ist einer ihrer ordinärsten, übelsten Bereiche. Zwar sollte Christi Reich nicht von dieser Welt sein, zwar rühmt man, zumal gegenüber marxistischer Geschichtsauffassung, Geschichte als Spiritualität, »transzendente Entelechie«, als »Fortsetzung der Sendung des Gottmenschen« (Jedin), betonen gerade Katholiken den Geheimnischarakter der »wahren« Geschichte, »Le mystère de l'histoire« (de Senarclens), lassen sie »das Jenseits allen Fortschritts« in Christus »bereits gegenwärtig« sein (Daniélou), zwar geht es dessen »Stellvertretern« und ihren Predigern stets um das eine nur, das nottut. In Wirklichkeit aber scheuten besonders Päpste und Bischöfe buchstäblich nichts, um sich den Mächtigen dienstbar, gefällig zu machen, um mit ihnen konkurrieren, sie bespitzeln, begaunern, beherrschen zu können. Tatsächlich faßten sie so Fuß auf dieser Welt, als wollten sie in Ewigkeit nicht weichen. 14
    Dies beginnt drastisch im frühen 4. Jahrhundert mit Kaiser Konstantin, dem nicht zufällig das längste Kapitel des I. Bandes gilt, und führt über das theokratische mittelalterliche Abendland bis heute. Die Imperien Chlodwigs, Karls, Olafs, Alfreds und anderer, erst recht die mittelalterlichen deutschen Kaiserreiche konnten sich so nur auf christlicher Grundlage konstituieren. Viele Herrscher haben – aus Überzeugung oder zum Schein – ihre Politik durch Hinweis auf ihren Glauben motiviert, wie überhaupt die mittelalterliche Christenheit nahezu alles auf Gott und Christus bezog. Ist doch noch im 16. Jahrhundert Kirchengeschichte weitgehend allgemeine Geschichte und bis heute die vielfältige Einwirkung der Kirche auf den Staat und umgekehrt nicht zu verkennen; in welchem Umfang, mit welcher Intensität, auf welche Weise, dies eben, im Rahmen des Themas, durch die verschiedenen Epochen zu erhellen, ist eine meiner Hauptintentionen.
    Die ganze Geschichte des Christentums war in ihren hervorstechendsten Zügen eine Geschichte des Krieges, eines einzigen Krieges nach außen und innen, des Angriffskriegs, des Bürgerkriegs, der Unterdrückung der eigenen Untertanen und Gläubigen. Daß man dabei – vom Geraubten, Geplünderten – Almosen gab (um die Volkswut zu dämpfen) oder Künstler bezahlte (um sich selber und seine Geschichte verewigen zu lassen) oder Straßen baute (um darauf weiter Kriege führen, Geschäfte machen, töten und ausbeuten zu können), interessiert hier nicht.
    Dagegen interessiert die Verstrickung des hohen Klerus, besonders des Papsttums, in die Politik, Ausmaß und Relevanz seines Einflusses auf die Herrscher, die Regierung, Verfassung: die Geschichte eines parasitären Hochstrebens mit nachfolgender Emanzipation, erst vom oströmischen, dann weströmischen Kaisertum, mit dem Ziel, durch religiöse Parolen auch die weltliche Gewalt zu gewinnen. Viele Historiker halten es für unbestreitbar, daß das Gedeihen der Kirche Folge sowohl als auch Ursache des römischen Staatszusammenbruchs war. Die Botschaft »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« wurde abgelöst durch die Zweigewaltenlehre (wonach auctoritas sacrata pontificum und regalis potestas einander ergänzen), dann sogar der Kaiser, der König nur
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