Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriegsgebiete

Kriegsgebiete

Titel: Kriegsgebiete
Autoren: Roland Spranger
Vom Netzwerk:
Regen. Statt einer Flamme gab es nur ein
nerviges Klack-Klack-Klack-Geräusch von sich. Seufzend packte
Maik das Feuerzeug zurück in die Tasche. Er lehnte sich mit der
unangezündeten Zigarette im Mundwinkel zurück. Langsam
weichte das Papier durch und die ganze Zigarette bog sich
melancholisch nach unten.
    »Der
Flachbildschirm ist auf jeden Fall im Arsch«, sagt Maik.
    »Das
Programm ist angeblich scheiße.«
    »Stimmt
schon.«
    »Er
ist immer noch dekorativ.«
    »Ja,
Panasonic hat ein gutes Design.«
    Daniel
und Maik starrten beide auf den Fernseher. Wenn man nebeneinander auf
einer Couch sitzt, schaut man unweigerlich früher oder später
auf den Bildschirm, selbst wenn er defekt ist. Maik nahm die
durchgeweichte Zigarette aus dem Mundwinkel, strich sie glatt und
versuchte, sie zurück in die Packung zu stecken. Nach mehreren
gescheiterten Anläufen warf er die kaputte Zigarette in den
Nachbargarten.
    »Die
Stehlampe ist auch hinüber«, sagte Maik.
    »Auch
dekorativ. Hier draußen vielleicht sogar dekorativer als im
Wohnzimmer.«
    »Hasst
du die Stehlampe?«
    »Warum
sollte ich die Stehlampe hassen?«
    »Wenn
ich mich recht erinnere, hat sie Melanie gekauft. Bei Ikea.«
    »Ich
hab nichts gegen Schweden, nicht mal was gegen Ikea. Und den anderen
Namen wollten wir hier nicht mehr erwähnen.«
    »Aber
den Namen gibt’s.«
    »Ja,
den Namen gibt’s.«
    »Glaubst
du ernsthaft, es fiele dir leichter, sie zu vergessen, wenn wir ihren
Namen nicht mehr sagen?«
    »Nein.
Glaube ich nicht.«
    Die
beiden Männer glotzten noch eine Weile in den Regen. Maik ließ
den Niederschlag über sich ergehen. Daniel war zufrieden mit
ihm. Der Regen tat so, als wäre kein Daniel da.
    »Was
hast du heute noch vor?«, fragte Maik.
    »Das
Dienstagsprogramm.«
    Jeden
Tag ein festgelegtes Programm. Das war Daniel wichtig. Montags eine
Fahrradtour zu einem stillgelegten Steinbruch. Von oben sahen die
verrosteten Überbleibsel der Maschinen so klein aus, als würden
Ameisen damit arbeiten. An den freigelegten Felsen Kletterversuche.
Dienstags der Besuch beim Psychologen. Posttraumatische
Belastungsstörung. Reden, obwohl Daniel Gesprächen nicht
vertraute. Damit konnte man sich verraten. Anschließend joggen
zu den Fischteichen im Norden. Mittwochs sein kleiner
Privat-Triathlon. Mit dem Rad zum Naherholungsgebiet. Anschließend
ein Lauf um den See. Schwimmen bei jedem Wetter, solange der See
nicht zugefroren war. Eine Handvoll Spaziergänger hatte ihn bei
seinem Versuch, eine zwanzig Zentimeter dicke Eisschicht mit seinem
NATO-Kampfmesser aufzuklopfen, blöd angeglotzt. Um sechzehn Uhr
das von der psychologischen Beratungsstelle betreute Treffen mit
seiner Tochter Lea. Am Donnerstag ein Geländelauf südlich
im Wald. Parcoursmäßig immer den schwierigsten Weg mit
Klettereinlagen, Sprüngen und anderen Gelegenheiten für
Knochenbrüche. Ein paar Mal hatte er sich schon üble
Prellungen zugezogen, aber Frakturen konnte er bisher vermeiden. Am
Freitag Hallenbad mit Sauna. Beim Schwitzen stellte sich Daniel immer
vor, wie das ganze Gift aus ihm entwich. Am Samstag zum Wochenmarkt
mit dem Fahrrad. Regionale Anbieter. Gesundes Essen. Falls noch Platz
im Rucksack war, anschließend einen Abstecher in die
Stadtbücherei. Abends der Versuch, in die Kneipe zu gehen. Das
klappte nicht immer. Zu viele Personen an einem Ort waren ein
perfektes Ziel für Attentäter. Wenn er es doch
fertigbrachte, sich an einen Tresen zu stellen, konnte er meist
seinem Gesprächspartner nicht folgen, weil er immer mit einem
Ohr bei den anderen Gästen war. Die Gesprächsfetzen
umschlangen sich und irgendwann gab es einen Knoten. Am Sonntag ein
Lauf zur Burgruine am Kornberg. Immerhin siebzehn Kilometer östlich.
Luftlinie. Genau genommen südöstlich. Daniel hatte es sich
zur Aufgabe gemacht, innerhalb einer Woche alle Himmelsrichtungen
abzudecken. Hin und zurück war die Burgruine fast
Marathondistanz. Luftlinie konnte man nicht laufen, weil sich immer
ein Hindernis fand. Eine anspruchsvolle Strecke mit vielen
Steigungen, von denen man sich auch beim Bergablaufen nicht wirklich
erholen konnte. Vor allem, wenn man die Strecke kannte. Bergab dachte
man ununterbrochen an den nächsten Anstieg. Am Sonntagabend nach
dem Duschen ins Kino. Nur gewaltfreie Filme. An romantische Komödien
musste Daniel sich erst einmal gewöhnen. Ständig
Brautkleider. Ständig eine Hauptdarstellerin, die nicht sexy
war. Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hatte, ging es.
Obwohl das Kino
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher