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Kriegsgebiete

Kriegsgebiete

Titel: Kriegsgebiete
Autoren: Roland Spranger
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Feldlager
aufzunehmen.
    »Ich
fahr da nicht rein«, sagte Timo und blieb etwa zwanzig Meter
vor dem Haus stehen.
    Daniel
hatte mittlerweile Verbindung mit dem Feldlager. Der Funker klang
gelangweilt, als er sich meldete. Vielleicht hatte er sich gerade die
Nägel manikürt oder an sich rumgespielt. Wenn man selbst in
Lebensgefahr ist, erscheinen einem alle Personen lethargisch, die in
Sicherheit sind. Vielleicht, weil vor dir das Leben in der falschen
Geschwindigkeit abläuft. Sand prasselte wie ein Graupelschauer
auf die Windschutzscheibe. Uniformfetzen wehten aus der Staubwolke.
Sehr klein. Verbrannt. Zu hoher Input für ein unvorbereitetes
Hirn. Das ist das Wesen des Terrors, dass er dich unvorbereitet
trifft, sogar wenn du mit ihm rechnest.
    Unter
dem Kriegsnebel konnte Daniel abgerissene Gliedmaßen sehen. Und
überall Blut. Die Augen von Leutnant Göller starrten ihn
an. Der Kopf lag ohne Körper im Dreck. Arschloch, dachte Daniel,
während er seine Magensäure hinunterschluckte. Macht sich
nach einer Fehlentscheidung einfach so vom Acker. Jetzt war Daniel
als Hauptfeldwebel der befehlshabende Mannschaftsdienstgrad. Die
Verantwortung vereinfachte zielgerichtetes Denken nicht.
    »Wir
haben Verluste! Wir brauchen hier dringend Verstärkung!«,
schrie Daniel so laut ins Mikro, dass es den schläfrigen Funker
im Feldlager aus den Kopfhörern katapultieren musste. 
    »Kein
Funkkontakt mit Adler 1. Kannst du was sehen?«
    Timo
schüttelte den Kopf.
    Jetzt
bloß nicht ausbooten, dachte Daniel.
    Hinten
wurde eine Tür aufgerissen. Kunz stürzte mit dem
Sturmgewehr in der einen und mit einer Pistole in der anderen Hand am
Eagle vorbei.
    Bevor
Daniel einen Befehl geben konnte, klappte hinter ihm die andere Tür
auf. Direkt neben ihm stand Pöhlmann mit der Waffe im Anschlag. 
    Idioten,
schoss es Daniel durch den Kopf.
    Die
zwei Greenhorns rannten geduckt am Wagen vorbei.
    Ein
zweiter Sprengsatz explodierte. Die Druckwelle presste Daniel in
seinen Sitz. Er spürte seinen Bauch, die Lungen, wie nach einem
mächtigen Faustschlag. Sofort das Pfeifen in den Ohren. Kunz
wurde gegen die Windschutzscheibe katapultiert und rutschte von der
Motorhaube des Eagle neben die Beifahrertür. Daniel riss das G36
aus der Halterung und öffnete die Tür. Unter ihm zuckte der
Körper von Kunz. Sein Gesicht war vollkommen verschwunden.
Trotzdem gurgelte und röchelte noch irgendwas aus ihm. Daniel
machte einen großen Schritt über den sich schüttelnden
Körper. Der trägt kein Bayern-Trikot mehr, dachte Daniel,
und schämte sich im nächsten Moment. Gedanken schossen
unkontrolliert durch seine Synapsen. Besser man dachte nichts im
Krieg, aber gerade wenn man höchste Konzentration braucht, macht
das Hirn, was es will. Pöhlmann lag in den Resten des Hauses.
Sein rechtes Bein war vollkommen zerfetzt. Er schrie wie ein Tier.
Vielleicht wie eine Hyäne. Dabei riss er die Augen weit auf. So,
als wollten die Augen aus ihren Höhlen treten und sich an
irgendwas festklammern. Daniel zog seinen Gürtel aus der Hose,
um das Bein abzubinden, aber er zögerte. Das Gewebe war
vollkommen zerfetzt. Er wusste nicht, wo er noch etwas hätte
abbinden sollen. In diesem Moment wurden sie unter Beschuss genommen.
Die Geschosse knallten links und rechts in die Reste des Hauses.
Daniel zog den Gürtel so fest es ging um den Gewebematsch, der
von Pöhlmanns Bein übrig geblieben war. Dann riss er das
Schnellfeuergewehr hoch und jagte ein halbes Magazin in einem
umfassenden Rundumschlag auf die umliegenden Hügel. So
kontrolliert war er immerhin noch, nicht ein ganzes Magazin zu
verschießen. Daniel wusste nicht, wo der Feind war – er
wusste nur, dass es ihn gab.
    Durch
die Staubwolke kam Timo herangestürzt. Er feuerte wild, um
Daniel und dem laut schreienden Pöhlmann Feuerschutz zu geben.
    »Spar
dir die Munition!«, befahl Daniel. »Wir müssen
durchhalten, bis die Kampfhubschrauber da sind.«
    »Wir
haben keine Kampfhubschrauber.«
    »Die
Amis haben welche.«
    Wieder
feindlicher Beschuss.
    Timo
und Daniel feuerten Schulter an Schulter zurück. 
    Dann
gingen sie in die Hocke und wechselten die Magazine. Rechts von ihnen
ebenfalls Schüsse. Mündungsfeuer. Überlebende aus
Adler 1. Beruhigend, dass es andere Überlebende gab.
    Timo
rannte zurück zum Auto, um einen weiteren Hilferuf abzusetzen.
Von der Beifahrerseite aus angelte er sich das Mikrofon des
Funkgeräts.
    Pöhlmanns
Körper zitterte. Zu viel Blut. Immer noch zu viel Blut.
    Daniel
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