Krieger der Stille
Haar und ihrem weiten blauen Kittel. Ein zauberhaftes Lächeln brachte ihr schönes Gesicht zum Strahlen.
»Ich … ich muss Ihnen so viel erklären«, fuhr sie fort. »Es ist der derart viel, dass ich nicht weiß, wo ich anfangen soll …«
Sie setzte sich neben ihn, und er atmete den süßen Duft ihrer Haut ein. Er war noch immer wie vom Donner gerührt und starrte sie fassungslos mit offenem Mund an.
Sie musste lachen. Und als sie sich wieder beruhigt hatte, sagte sie: »Nur fürchte ich, dass wir heute nicht viel Zeit zum Reden haben, denn wir sind in Gefahr. Ich habe mit großem Interesse Ihre Fortschritte auf dem Gebiet des Reisens verfolgt und viel dabei gelernt. Sie sind mir deswegen doch nicht böse?«
»Warum sollte ich Ihnen böse sein?«, murmelte Tixu verlegen. Er konnte noch immer nicht fassen, wie sich das Benehmen der jungen Frau geändert hatte.
»Weil ich, zum Beispiel, unberechtigterweise von Ihrem Unterricht profitiert habe, lieber Professor«, antwortete sie fröhlich. »Und es gibt noch eine Menge andere Gründe … Sie müssen mir viel verzeihen. Aber nicht jetzt. Denn wir müssen uns auf die Suche nach dem Mann machen, der uns irgendwo da draußen erwartet.« Sie deutete zum Himmel. »Und zu zweit verdoppeln wir unsere Chancen, ihn zu finden, glauben Sie nicht?«
Tixus Herz begann wild zu klopfen. Doch er nickte nur.
»Wenn es Ihnen … Wenn es dir nichts ausmacht«, korrigierte sich Aphykit – das erste Mal in ihrem Leben duzte sie jemanden, wohl aus dem spontanen Bedürfnis heraus, mit ihrer Vergangenheit zu brechen – und sprach schnell weiter: »… möchte ich vor dem Verlassen der Insel noch ein Bad im Meer nehmen. Immer, wenn ich dich mit deinen Freunden, den Walen, habe baden sehen, hatte ich wahnsinnige Lust dasselbe zu tun. Aber ich wagte es nicht, denn meine Haut ist noch nie mit Meerwasser in Kontakt gekommen. Das kommt dir sicher absurd vor, doch wenn ich diese Erfahrung jetzt nicht mache, kann ich mich auch nicht auf diese Reise begeben. Und dann könnte ich dich nicht begleiten. Verstehst du das?«
Aphykit ließ Tixu keine Zeit zu antworten. Sie stand auf und zog ihr Hemd aus. Dann lief sie nackt mit wehendem Haar aufs Wasser zu und wich geschickt den Flossenschlägen der noch immer aufgeregten Monager aus. Tixu entledigte sich schnell seines Overalls und rannte hinter ihr her. Kacho Marum, sein Beschützer, folgte ihm in einiger Entfernung.
Aphykit erschauderte, als ihre Füße das Wasser berührten. Sie wich zurück. Doch schon ergriff Tixu sie, umfasste ihre Taille und ihre Beine und hob sie hoch. Dieses Mal wehrte sie sich nicht. Er schritt weiter ins offene Meer hinaus und warf sie ohne Zögern ins eiskalte Wasser, so wie der Hirte Stanislav Nolustrist es mit ihm auf Marquisat gemacht hatte.
Im ersten Moment blieb Aphykit der Atem weg. Sie verschluckte sich, hustete und stieß kleine spitze Schreie aus. Doch dann ließ sie sich mit kindlichem Vergnügen von den Wellen wiegen, plantschte und lachte und genoss das Prickeln des Salzwassers auf ihrer Haut.
Nun begehrte Tixu sie nicht mehr auf diese rein sinnliche Weise wie er sie anfangs begehrt hatte. Denn das Bad im Ozean der Feen von Albar reinigte nicht nur ihre Körper, sondern auch ihre Seelen, befreite sie von den letzten Spuren eines früher gelebten Lebens.
Sie küsste ihn flüchtig und ungeschickt auf den Mund – ein geraubter Kuss. Und Tixu wünschte sich, Aphykit würde ihm noch mehr Küsse rauben.
»Weißt du, warum die Monager so aufgeregt sind?«, fragte die junge Frau.
»Ich glaube, sie wissen von einer drohenden Gefahr und wollen uns warnen«, antwortete er.
»Die Männer des neuen Imperiums«, sagte sie und ihre
wunderschönen grüngoldenen Augen wurden ernst. »Bald werden sie auf der Insel sein. Sie haben Deremats nach Houhatte bringen lassen. Jetzt bin ich bereit.«
Die beiden liefen zur Düne, um ihre Kleider wieder anzuziehen. Kacho Marum begleitete sie im seichten Wasser.
Tixu drehte sich um und wartete, bis das riesige Maul des Monagers neben ihm war. Dann murmelte er: »Adieu, Kacho Marum. Ich werde dich nie vergessen.«
Der Wal stöhnte leise, und seine sechs runden, glänzenden Augen blickten unendlich traurig. Dann schwamm er zu seinen Artgenossen und fiel in den Chor ihres Gesangs ein.
»Wohin gehen wir?«, fragte Aphykit, die schon halb den Sandhügel erklommen hatte.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Tixu. »Am besten, wir lassen uns von unserer Intuition
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