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'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

Titel: 'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'
Autoren: Jess Jochimsen
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Fäustlinge, die auch noch von einem Bändchen zusammengehalten wurden, damit sie der kleine Trottel nicht verliert. (Eine Schlamperkiste gab es damals noch nicht.) Und selbstredend wurde ich auch noch in Strumpfhosen gesteckt, solche in geschmackvollem Kackbraun, ohne Eingriff und ebenfalls aus kratzender Wolle selbst gefertigt. Bis heute bin ich der Überzeugung: Die Welt wäre besser, wenn Mütter nicht stricken könnten!
    Das möchte ich meinem Sohn gerne ersparen; der Preis dafür ist ein im Winter dauererkältetes Kind, was dieses nicht anficht, weil cool den Rotz hochziehen einen prima Kontrast zu seinem gewählten Erscheinungsbild der tiefhängenden Hose darstellt.
    »Tom, du holst dir noch eine Blasenentzündung.«
    »Das kriegen nur Mädchen, Papa!«
    Ich bin ratlos und bis auf Weiteres fahre ich also im Winter dreimal die Woche zur Schule, um Toms warme Sachen zu holen, auf dass er sie wieder dort deponiert.
    Irgendwann, hoffe ich, wird der Klimawandel das Dilemma lösen oder die Bekleidungsindustrie besinnt sich: Ich habe alles probiert, aber Wintersachen für angehende Jugendliche gibt es nicht in cool!
    (Wenn Sie sich überzeugen wollen, gucken Sie in Toms Schule nach: Eingangshalle, linke Kiste, dort bekommen Sie einen guten Überblick.)

Splitter zur Fastenzeit
    Es ist Fastenzeit, und nur weil das weder in meiner Familie noch in meinem Bekanntenkreis irgendjemand interessiert (weil wir Genuss und Ausschweifung der Buße nun mal vorziehen), heißt das nicht, dass sich speziell mein Sohn Tom und seine Freunde keine spirituellen Gedanken machen würden ... Im Folgenden einige (beinahe) unkommentierte Splitter zur Vorbereitung aufs österliche Hochfest:
    »Man muss dem Jesus echt dankbar sein«, sagt Tom, als er mit Paul und Luka am Wohnzimmertisch sitzt, um auf den anstehenden Test im Fach Religion zu lernen, »wegen der Ferien! Ohne Jesus kein Weihnachten und kein Ostern, so einfach ist das.«
    »Und kein Pfingsten«, ergänzt Luka. »Was war da eigentlich?«
    »Keine Ahnung«, sagt Paul, »irgendwas mit dem Heiligen Geist, der hat da was verschüttet, glaube ich,müssen wir aber nicht können, das kommt erst nach Ostern dran. Wie ich mich auf den Urlaub freue ...«
    (Ich mich auch.)
    Weil Kreuzigung und Wiederauferstehung letztes Jahr Stoff waren, sind diesmal die Zehn Gebote und das Glaubensbekenntis zu lernen.
    »Wie geht noch mal das fünfte Gebot?«, fragt Paul.
    »Weiß ich doch nicht«, entgegnet Luka, »guck halt im Netz.«
    »Dürfen wir mit dem Computer, Papa?«
    »Nein!«
    »Reli braucht echt kein Mensch«, sagt Paul.
    »Ich bin noch nicht mal getauft«, assistiert Tom, »lass uns lieber chillen.«
    (Dass er niemand töten soll, weiß er hoffentlich auch so.)
    »Papa, bringst du uns was Süßes?«
    »Ich denk ja gar nicht dran, Tom.«
    »Jetzt sei nicht so uncool!«
    »Ich bin doch hier nicht der Bringdienst, außerdem ist Fastenzeit.«
    »Hast du deswegen mit der Mama gestern zwei Flaschen Wein getrunken? Frag ich halt die. MAMAA!«
    »Nicht so laut! Die Mama hat sich hingelegt – wegen ihrer Kopfschmerzen.«
    »Was Süßes oder ich brülle!«
    »Vorher schreibst du hundert Mal das vierte Gebot ab!«
    »Wie geht das noch mal?«
    (Du sollst Vater und Mutter ehren – verdammte Kröte!)
    Wieso haben die Jungs überhaupt Religion?
    Luka, weil er katholisch ist, und Tom und Paul, weil der alternative Ethikunterricht am Nachmittag wäre.
    »Dann geh ich lieber in Reli«, sagte mein Sohn, »bevor ich mir den Nachmittag auch noch versaue!«
    (Non scholae, sed vitae discimus.)
    Luka kaut genüsslich an seinem Schokoladenriegel und wird grundsätzlich: »Wisst ihr, was ich blöd finde? Dass die Taufe so früh ist. Da kann man die Geschenke gar nicht genießen.«
    Tom und Paul zucken mit den Schultern.
    »Du hast ja bald Firmung, Luka«, sage ich.
    »Was ist’n das?«, fragt er zurück, »so was wie die Pubertät?«
    (Fast.)
    Auf den Philippinen gibt es den Brauch: Wenn die Osterglocken läuten, fassen die Eltern die kleinen Kinder beim Kopf und heben sie hoch. Sie glauben, dass die Kinder so größer, schlauer und höflicher werden.
    (Hätte ich vielleicht machen sollen – früher.)Tom erhält eine Zwei im Religionstest. Sein einziger Fehler war die unzulässige Zusammenlegung des vierten mit dem fünften Gebot: »Du sollst Vater und Mutter nicht töten.«
    (Immerhin.)

Zum guten Schluss
    So. Das war‘s dann mit Toms Abenteuern. Und mit meinen.
    Es ist nicht so, dass es nichts weiter zu berichten
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