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'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'

Titel: 'Krieg ich schulfrei, wenn du stirbst'
Autoren: Jess Jochimsen
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schimpfen darf!
    Ich find das mit den Texten nämlich manchmal blöd. Immer wenn ich mit ihm spielen will, muss er schreiben. Und dann schreibt er oft Sachen, die gar nicht stimmen. Also, die stimmen schon, aber nicht so ganz. Zum Beispiel, dass ich in die Carina verliebt war. Weil sie mir ihre Fußballbildchen geschenkt hat. Die Wahrheit ist, dass die in mich verliebt war, und den Liebesbrief habe ich nur geschrieben, damit ich die Bildchen krieg. Da waren aber fast nur doppelte dabei und inzwischen ist die Carina eh in den Luka.
    So was müsste der Papa echt genauer schreiben. Außerdem find ich’s blöd, dass er raucht. Das ganzeZimmer stinkt voll pestig. Aber sonst ist es o.k. Moment, ich muss mal kurz aufs Klo. (...)
    Da bin ich wieder. Hab mir noch schnell ‘ne Cola geholt. Da braucht der Papa gar nicht zu maulen, der trinkt auch immer Kaffee, wenn er schreibt. Die Zeitung, wo seine Texte drin sind, finde ich übrigens ganz gut, nur für Kinder müssten sie öfter was machen, so über Fußball oder über Krieger!
    Jetzt fällt mir nichts mehr ein ... Papa! Papaaa! (...)
    Ich glaub’s ja nicht. Der sitzt unten und spielt mit meinem Gameboy! Den hab ich ihm jetzt weggenommen, dann sieht er mal, wie das ist. Außerdem blickt er’s eh nicht.
    Aber ein bisschen muss ich noch, hat der Papa gesagt, und wenn mir nichts einfällt, soll ich einfach aus meinem Leben erzählen, was ich gut find oder was mich nervt und so.
    Hm, eigentlich finde ich alles ganz o.k., nur die Schule nicht. Weil da alle voll rumstressen, damit sie aufs Gymmi kommen. Der Luka kriegt sogar einen Hund, wenn er’s aufs Gymmi schafft. Das ist ja wohl megablöd. Ich möchte keinen Hund! Der Luka will, glaub ich, den Hund auch nur, weil die Carina Hunde mag, und nicht wegen dem Gymmi.
    Außerdem finde ich Hauptschule oder Real gar nicht schlimm, die geht wenigstens nicht so lang. Aber dazu bräuchte ich schlechtere Noten, und das schaffe ich nicht. Am besten wär’s eh, wenn alle auf dieselbeSchule kämen. Dann gäb‘s keinen Streit. Und der Stress wär auch weniger.
    So, jetzt ist es aber genug. Tschüss.

Bankenkrise
    Mein Sohn Tom hat mal wieder Geldprobleme. Diesmal kann man allerdings nicht von einer vorübergehenden Ebbe im Portemonnaie sprechen, diesmal ist es ernst. Eine völlig verfehlte Sparpolitik, absurde Investitionen und eine mutwillig zertrümmerte Autoscheibe haben seine Finanzsituation prekär werden lassen und an eine baldige Konsolidierung ist nicht zu denken. Geburtstag war schon und bis Weihnachten ist es noch weit.
    (Wo, zum Teufel, war eigentlich die Finanzaufsichtsbehörde, als Toms Kreditgeber eine Taschengeldvorauszahlung bis 2014 bewilligt haben?)
    Man kann es nicht anders sagen: Mein Sohn sitzt auf einem schier untilgbaren Schuldenberg. Tom ist Griechenland!
    Und so setzte er denn seinen Dackelblick auf, sah mir tief in die Augen und sagte den schwer zu entkräftenden Satz: »Papa, ich habe Bankenkrise!«
    Was soll man hierauf erwidern, ohne in den Jargon deutscher Spitzenpolitiker und Boulevardmedien zu verfallen? Ich möchte nicht von »faulen Hellenen« und »Lasten des Steuerzahlers« sprechen. Und schon gar nicht den mittlerweile salonfähig gewordenen Satz »Die Griechen müssen ihre Hausaufgaben machen« aussprechen. Nicht nur, dass ich das Kompositum »Hausaufgaben« in so ziemlich allen Zusammenhängen verabscheue, im vorliegenden Fall ist es altväterlich und zynisch!
    Das Problem ist hausgemacht und abgesehen davon bin ich der falsche Adressat. Ich lebe, seit ich denken kann, knietief im Dispo und habe selbst immer Schulden. Dass es, nebenbei bemerkt, in dem ganzen Euro-Schlamassel jetzt meine Bank ist, die mal Schulden hat, finde ich gar nicht so schlecht, lernt sie das Gefühl endlich einmal kennen!
    (Zur Erinnerung: Der deutsche Beitrag zum ersten Rettungsschirm Griechenlands betrug 20 Milliarden Euro. Was ist das, im Vergleich zu den 500 Milliarden, die deutsche Bürger zur Rettung der deutschen Banken berappten? Allein die Commerzbank bekam 19,4 Milliarden, also praktisch Griechenland. Wenn ich mich entscheiden müsste ... Friedrich Küppersbusch hat das einmal schön formuliert: »Wer, bitte, möchte in der Commerzbank Urlaub machen?«)
    Schon klar: Politisieren hilft in der konkreten Finanzmisere wenig. Was also tun? Den »europäischenWeg« gehen und Tom weitere Kredite zugestehen sowie einen radikalen Sparkurs verordnen? Dass das nicht funktionieren wird, kann selbst ein Grundschüler
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