Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuz des Südens

Kreuz des Südens

Titel: Kreuz des Südens
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
der offensichtlich Schritte gehört hatte, wirbelte auf dem Absatz herum. Hammer und West trennten sich. Unwirklich und riesig kam Hammer der Lauf der Pistole vor, der auf ihr Gesicht gerichtet war. Schwaden von Tränengas reizten Hammers Augen und Lungen. Als Smoke sich blitzschnell umwandte, weil er Schritte gehört hatte, die sich ihm näherten, liefen Hammer und West auseinander. Aber sie konnte nicht als Erste schießen. Zu viele Mens chen waren dazwischen.
    Es war schon eine ganze Weile her, dass Hammer in einen echten Kampf verwickelt war, aber sie hatte nicht vergessen, was sie gelernt hatte. Mit aller Kraft warf sie ihre Pistole nach Smoke. Die Waffe segelte und drehte sich wie ein Bumerang. Smoke, der unwillkürlich die Arme hochriss, um sie abzuwehren, gab Hammer die Gelegenheit, nach seinen Füßen zu hechten und ihn umzureißen. Sie rangelten um seine Waffe.
    »GIB AUF!«, befahl Hammer.
    Er versuchte, ihr die Pistole in die Rippen zu drücken, da plötzlich erwischte sie einen seiner Daumen. Sie bog ihn geradewegs nach hinten, es war ein alter und erprobter Polizeitrick. Smoke brüllte auf vor Schmerz. Sie entwand ihm die Waffe und drückte sie ihm hart unters Kinn.
    »EINE FALSCHE BEWEGUNG, UND ICH BLAS DIR
    DEINEN VERFLUCHTEN SCHÄDEL WEG!« Ihr Finger lag am Abzug. Sie hoffte, er würde ihr einen Grund geben, abzudrücken.
    »Du gottverdammter kleiner Bastard«, sagte sie ihm ins Gesicht. »Die hilflose alte Frau, die du ermordet hast, war meine Nachbarin.«
    Brazil hatte sich weit genug erholt, dass er West helfen konnte, Smoke Handschellen anzulegen und ihn wegzuschleifen. Bubba setzte sich auf, Tränen liefen ihm über die Wangen. Pigeon lag mit dem Gesicht nach unten und hielt sich immer noch die Augen zu. Die Socke war ihm vom Beinstumpf gerutscht. Weed schwankte, als wieder stand. Mit tränenden, roten Augen sah er Chief Hammer an. Sie stand ganz ruhig, die Waffe an der Seite auf den Rasen gerichtet. »Danke«, sagte Weed zu ihr. »Mensch, bin ich froh, dass Sie da sind.«

36
    In jener Nacht regnete es. Das Wasser ergoss sich in solchen Mengen aus dem Himmel, dass Weed an Bilder von Ozeanen denken musste, die er gesehen hatte. Im nächsten Moment prasselten Hagelkörner auf die Straße, und der Wind blies so stark, dass Weed wettete, er könnte Klingelknöpfe eindrücken. »Wer ist da?«, flüsterte er in die Dunkelheit und forderte neckend die unsichtbaren Mächte heraus, die da draußen wirken mochten. »Kommt rein«, sagte er zu sich selbst. »Oh, 'tschuldigung, ich glaub, ich hab vergessen, wie man die Tür aufsperrt.« Tränen traten ihm in die Augen. Seine Bemühungen, komisch zu sein, fanden keinen Anklang, weil niemand da war, der darüber lachte. Blitze zuckten durch das vergitterte Fenster, und es knisterte und knallte, als ob Blasen einer Luftpolsterfolie platzten. Weed stellte sich einen Tornado vor und dachte an Twister. Weed hatte gehört, dass man bei solchem Wetter nicht über den Golfplatz spazieren, Becken spielen oder telefonieren dürfe, und hier saß er nun auf einem Bett aus rostfreiem Stahl. Ach, was machte es schon, wenn er tot war. Irgendwo in einem anderen Teil des Jugendgefängnisses, den man den Sack nannte, war auch Smoke eingesperrt. Allein der Gedanke daran verursachte ihm ein Kribbeln auf der Haut wie von Ungeziefer. Er kratzte sich und schrubbte sich ab. Sein Herz klopfte wild, er hatte Mühe zu atmen, und ihm wurde nicht warm. Er zog die Decke enger um sich und musste wieder an sein Stahlbett denken, als draußen ein Blitz aufflammte wie Mündungsfeuer.
    Chief Hammer hasste Blitze und hielt sich gewöhnlich von Fenstern und Gegenständen fern, die leiteten. Doch sie konnte nicht still halten. Unruhig wanderte sie im Wohnzimmer auf und ab, in sicherer Entfernung am Fenster vorbei, an den Lampen, dem eisernen Kaminwerkzeug. Für einen Moment stand sie sogar unter dem Messingleuchter. Indessen saßen Officer Brazil und West auf Hammers Sofa und kauten wieder und wieder die Ereignisse des Tages durch.
    »Es ist mir egal, was die anderen sagen.« Dickköpfig wiederholte Brazil seine größte Sorge, als das Licht ausging. »Weed sollte nicht mit Smoke in einer Anstalt sein, andere Abteilung hin oder her. Smoke hat bereits bewiesen, wie durchtrieben und teuflisch er ist.«
    »Nicht durchtrieben genug, um sich nicht einlochen zu lassen«, erinnerte West, »aber mir gefällt die Situation genauso wenig.«
    »Ich sag's euch«, redete Brazil weiter auf die beiden ein.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher