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Kreuz des Südens

Kreuz des Südens

Titel: Kreuz des Südens
Autoren: Patricia Cornwell
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»Wenn Smoke etwas tun will, dann macht er es auch.«
    »Ja, ja, ja«, sagte Hammer, unruhig mal hierhin, mal dorthin wandernd. Popeye schnarchte auf einem Ohrensessel, während draußen der Donner grollte.
    Brazil machte sich solche Sorgen, dass er bereit war, drastische Maßnahmen zu ergreifen, wenn er auch nicht wusste, wie die aussehen sollten. Smoke hatte scheinbar nicht gewollt, dass Divinity, Beeper, Dog und Sick frei rumliefen, während er eingesperrt war. Er hatte der Polizei verraten, wo jeder von ihnen zu finden war. Nun saßen anscheinend alle Hechte, jeder in seiner Zelle, in der Jugendarrestanstalt, vielleicht nur ein oder zwei Korridore von der Zelle mit der stählernen Toilette und dem Klappbett entfernt, wo Weed eingesperrt war. »Wir brauchen Weed als Zeugen gegen jeden einzelnen von ihnen«, fuhr Brazil fort.
    »Wer wo schläft, ist doch völlig egal«, fügte West hinzu. »Weed könnte Smoke oder einen der anderen auch beim Hofgang treffen. Und Miss Divinity ist auch eine Schlange.«
    »Andy, Virginia, Sie haben beide völlig Recht.« Hammer hatte aufgehört umherzulaufen und zündete jetzt mehrere Kerzen an. »Wir müssen ihn noch heute Nacht rausholen.«
    Dazu bedurfte es eines ungewöhnlichen, unorthodoxen Plans. Hammer hatte einen. Um Viertel nach acht abends rief sie Richterin Maggie Davis zu Hause an.
    »Ich bin froh, dass ich Sie zu Hause erwische«, sagte Hammer eilig.
    »Wäre im Moment ungern woanders«, sagte die Richterin. »Tut mir Leid, dass ich die Parade versäumt habe. Großer Gott. Alle Achtung, Judy. Ich wünschte, ich wär dabei gewesen, als Sie das kleine Stück Scheiße haben hochgehen lassen.«
    »Ich hab eigentlich gar nicht viel gemacht«, wies Hammer das Kompliment zurück. »Aber wir müssen Weed Gardener so schnell wie möglich aus dem Arrest herausholen.«
    »Ich dachte, er wollte eingesperrt sein.«
    »Das war einmal«, sagte Hammer. »Jetzt sitzen Smoke und seine Gang dort. Das ist nicht gut, Maggie. Ganz und gar nicht gut.«
    Die Richterin dachte einen Augenblick nach. »Was schlagen Sie vor?«, fragte sie schließlich.
    Hammer war sich bewusst, dass das, was sie gleich vorschlagen würde, unmöglich war. Doch das meiste, was sie im Leben erreicht hatte, war nach Ansicht derer, die drum rum gestanden und zugeschaut hatten, unmöglich gewesen.
    »Können Sie den Staatsanwalt und die Pflichtverteidigerin anrufen?«, fragte Hammer.
    »Natürlich«, antwortete Richterin Davis.
    »Ich stelle inzwischen sicher, dass das Tor offen ist.«
    »Welches Tor?«, fragte Richterin Davis.
    Um neun Uhr trafen sich die beteiligten sechs Personen in vier Autos vor den eisernen Gittern des Hollywood-Friedhofs. Regen peitschte über alte Buchsbaumsträucher und durch Baumkronen, und unheimlich schimmerten die nassen Grabsteine und Denkmäler, wenn Scheinwerfer über sie hinwegglitten. Chief Hammer, Brazil und West saßen im ersten Wagen. Hinter ihnen fuhr Richterin Davis in ihrem Volvo und Staatsanwalt Michael in seinem Honda Accord. Ein gutes Stück weiter hinten folgte, in einem alten Mercury Cougar Sue Cheddar, die erst das Mandat niedergelegt hatte und dann von Weed gefeuert worden war; nun hatte Richterin Davis angeordnet, dass sie weiterhin mit dem Fall betraut war.
    »Ich hoffe bloß, dass er die Wahrheit gesagt hat«, meinte West zu Hammer und Brazil.
    Die Scheibenwischer peitschten hin und her, und der Regen peitschte zurück. Hammer fuhr sehr langsam. Über das Lenkrad gebeugt, blinzelte sie in die Dunkelheit, um die Straßenschilder besser lesen zu können.
    »Hat er«, sagte Hammer, als ob sie Weed sehr gut kennen würde.
    Wasserfontänen spritzten auf, als sie die Waterview Avenue entlangfuhren, Äste peitschten auf und nieder und grapschten nach ihnen. Silhouetten von Engeln blickten ihnen hinterher. Dunkle Grüften mit farbiger Bleiverglasung zogen Hammers Phantasie magnetisch an und riefen Kindheitsängste wach. Sie war zehn gewesen, als ihre Nachbarin, Mrs. Wheat, einen Straßenzug entfernt auf dem Friedhof der Baptistenkirche beerdigt worden war. Ihr Grabstein aus grauem Granit war von der Straße aus deutlich zu sehen. Jeden Morgen, wenn Hammer in die Schule ging, war sie so schnell wie möglich am Friedhof vorbeigelaufen, weil sie Mrs. Wheat nie gemocht hatte und sicher war, dass Mrs. Wheat, wo sie nun im Himmel war, das wusste.
    Hammer hasste Friedhöfe noch immer. Sie hatten für sie nichts Anziehendes. Sie fürchtete beißende Gerüche, sonderbare Geräusche und
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