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Krank für zwei

Krank für zwei

Titel: Krank für zwei
Autoren: Kathrin Heinrichs
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Weg.
    Hinter der schweren Milchglastür, die den Stationsflur vom Treppen- und Aufzugsbereich abtrennte, blieb ich abrupt stehen. Ein Polizeibeamter hatte sich dort postiert. Er sprach mit einer Frau, die einen Blumenstrauß in der Hand hielt. Offensichtlich erklärte er, daß sie ihren Krankenbesuch verschieben müsse. Kurzerhand kam ich jeder Frage zuvor.
    »Vincent Jakobs«, sagte ich im Vorbeigehen, »Blinddarm, Zimmer 314, ich soll zum Röntgen nach unten.«
    Der Polizist nickte, Glück gehabt.
    Der Flur zwei Stockwerke drunter hatte dieselbe Aufteilung wie Station Drei, war aber heller und freundlicher gestaltet – die Baby-Station eben. Bunte Basteleien und fröhliche Beschriftungen sollten einen Baby-Blues gar nicht erst aufkommen lassen. Dann eine geöffnete Tür. Jetzt erinnerte ich mich. Hier war ich schon einmal gewesen, nachdem mich Alexa zur Kreißsaalbesichtigung geschleift hatte. Dies mußte der Babyraum sein, in dem die Neugeborenen untergebracht waren. Ein süßlicher Geruch wehte mir entgegen. War gerade Badezeit gewesen oder hatte die Firma Bübchen eine Verkaufsveranstaltung hingelegt?
    Jetzt schlössen sich die herkömmlichen Krankenzimmer an. Eine Frau kam mir mit ihrem Winzling auf dem Arm entgegen. Das Baby bestätigte wieder einmal meine Vermutung, daß Säuglinge irgendwie alle gleich aussahen. Ich strahlte die Mutter trotzdem an. Vielleicht würden wir demnächst dieselbe Krabbelgruppe besuchen. Dann endlich. Meine Orientierung hatte mich nicht getäuscht. Hinter dem Knick im Gang kamen linkerhand die Besuchertoiletten, genau wie im Flur drüber, hier direkt vor mir war wohl ein Büro untergebracht und weiter rechts müßte gleich das Stillzimmer folgen,.
    »- eine Unverschämtheit sondergleichen –« Die Stimme, die aus dem Büro kam, war außer sich vor Wut. Eine männliche, aufgebrachte Stimme, die dumpf durch die massive Zimmertür zu hören war. Ich blieb stehen und lauschte, ob es sich um Bennos Verhör handelte. Womöglich wurde mein Schützling da gerade zur Schnecke gemacht.
    »Jetzt führen Sie sich bitte nicht so auf«, antwortete jetzt eine andere Stimme. »In dieser Situation müssen wir Geschlossenheit signalisieren. Es wird für das Krankenhaus schwierig genug werden, aus den Schlagzeilen wieder herauszukommen.«
    »Geschlossenheit kommt sicherlich nicht dadurch zustande, daß Leute wie Sie Ihre Kompetenzen überschreiten, Herr Dr. Lübke. Wenn jemand das Stillzimmer zur Verfügung stellt, dann bin ich das als Chef der Gynäkologie und nicht Sie!«
    »Sie machen aus einer Mücke einen Elefanten.« Dr. Lübke verteidigte sich. »Bedenken Sie doch bitte, daß wir alle erheblich unter Druck stehen. Ich werde –«
    »Ich wüßte nicht, warum ich unter Druck stehe«, die Stimme des Chefgynäkologen hatte etwas sehr Überhebliches. »Wenn sich hier jemand unter Druck sieht, dann doch wohl Sie, oder sehe ich das falsch?«
    Jetzt schien Dr. Lübke auszurasten. Es dauerte einen Moment, bevor er antwortete. Dann allerdings mit voller Wucht.
    »Kellermann, ich garantiere Ihnen eins«, begann er, und auch ohne daß ich ihn sah, beschlich mich das Gefühl, er würde gleich platzen. »Wenn Sie diese Situation für Ihre eigenen Interessen nutzen, dann wird der Schuß ganz sicher nach hinten losgehen.«
    Der Verteidiger des Stillzimmers lachte schrill, was den anderen noch mehr reizte.
    »Sie intrigieren gegen die chirurgische Abteilung mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln«, preßte Dr. Lübke hervor. »Das hat sich ein Mann wie unser Chef Peuler vielleicht gefallen lassen, aber diese Zeiten sind vorbei – das schwöre ich Ihnen. An mir werden Sie sich schneller die Zähne ausbeißen, als Ihnen lieb ist.«
    »Fragt sich nur, ob Sie das noch erleben.« Dr. Kellermanns Stimme war plötzlich eiskalt.
    Ich zuckte zusammen. Was sagte der Typ da?
    »Vielleicht werden Sie gar keine Gelegenheit haben, solche Erfolge noch in diesem Haus zu feiern, oder meinen Sie, Ihre Weiterbeschäftigung ist in jedem Fall gesichert, jetzt da Ihr Gönner uns verlassen hat?«
    Ich hörte ein Schnauben. Dann öffnete sich mit einem Schwung die Tür, an der ich wie eine Schnecke geklebt hatte. Ein großer, schlanker Mann mit glatt rasiertem Gesicht starrte mich an.
    »Ich bin, ich suche, eigentlich –«
    »Ja?« Dr. Lübke starrte mich weiter aufgebracht an.
    »Ich muß ins Stillzimmer«, brachte ich dann hervor. »Ich meine, nicht ich, nicht zum Stillen jedenfalls – kennen Sie Frau
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