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Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Titel: Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach
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tanzen wie ein Derwisch, und innerhalb weniger Minuten verwandelt sich die Küche in eine Sufi-Trance. Wenn ich mit dem Kochen fertig bin, öffne ich die Tür und finde im Wohnzimmer meine erwartungsfrohen Gäste vor. In diesem Augenblick beginnt das Fest.
    Jeder von uns hat einen Ort, an dem er sich ganz und gar wohlfühlt, manche in einer Kirche, in einer Moschee, an einem anderen heiligen Ort, im Kino, im Stadion oder auf einem Markt. Ich fühle mich in der Küche wohl. Ist ja auch kein Wunder, ich bin nämlich ein guter Koch. Alles, was es dafür braucht, habe ich von meinem Vater gelernt und er von seinem Großvater. Ich bin kein Tellerwäscher, wie sie’s in den römischen Restaurants behaupten. In Shiraz hatte ich ein schönes Lokal. Verflucht sollen die sein, die mich ruiniert haben! Mit einem Schlag habe ich alles verloren: Familie, Haus, Restaurant, Geld. Mir wurde so oft gesagt: »Wenn du in Italien als Koch arbeiten willst, musst du die Geheimnisse der italienischen Küche kennenlernen.« Aber was soll ich denn machen, wenn ich Pizza, Spaghetti & Co. nicht ausstehen kann? Außerdem ist es überflüssig, die italienische Küche zu studieren, weil ich sowieso nicht lange in Rom bleiben werde. Ich kehre bald nach Shiraz zurück. Ganz sicher.
    Ich frage mich wirklich, wieso die italienischen Behörden weiter die Augen vor dem verschließen, was alle ehrbaren Mediziner wissen: Pasta macht dick und ist die Ursache für Fettleibigkeit. Das Fett verstopft schön langsam die Venen, bis schließlich das arme Herz zu schlagen aufhört. So ist es auch Elvis ergangen. Sicher erinnern Sie sich noch, wie schön und schlank er war, als er
Baba bluma bib bab a blue
sang … In der Phase aß er jeden Tag Reis. Aber dann gewöhnte er sich unglücklicherweise an, Pizza zu essen. Er ließ sie aus den italienischen Restaurants von Hollywood kommen, weil er keine Zeit hatte, sich etwas zu kochen und sich zum Essen an einen Tisch zu setzen. Der arme Elvis war einfach zu beschäftigt, und das Resultat war, dass er in kürzester Zeit fett wurde wie ein Elefant und dann starb, weil sich das Fett überall ausgebreitet hatte: im Herzen, in den Lungen, den Augen, im ganzen Körper. Niemand kann solchen Fettmassen Einhalt gebieten. Maria Cristina, der Haushaltshilfe, habe ich mehrfach empfohlen, die Pasta wegzulassen. Als ich sie vor zwei Jahren kennenlernte, war auch sie noch dünn. Dann begann sie, regelmäßig Spaghetti zu essen, und ging auseinander wie ein Heißluftballon. Einmal sagte ich zu ihr: »Du hast wohl ganz vergessen, wo du herkommst, sonst wüsstest du noch, dass man auf den Philippinen hauptsächlich Reis isst.« Arme Maria Cristina. Neulich haben sie ihr untersagt, den Aufzug zu benutzen, weil sie Angst haben, dass er steckenbleibt. »Du wiegst mehr als drei Personen«, damit rechtfertigten sie ihr Fahrverbot. Versteht da noch irgendeiner, warum der Gesundheitsminister auf Nudelpackungen nicht den Hinweis »Nudeln fügen Ihrer Gesundheit erheblichen Schaden zu« drucken lässt?
    Amedeo ist wie ein guter Hafen, aus dem man ausläuft und in den man jedes Mal gern zurückkehrt. Wenn sie mich wieder irgendwo rausschmeißen, fühle ich mich, als wär ich in Seenot geraten, und dann hilft mir nur Amedeo. Er sagt immer: »Macht nichts, Parviz, komm, werfen wir einen Blick in die
Porta Portese
.« So setzen wir uns dann in Sandros Bar, Amedeo schlägt das Anzeigenblatt auf und markiert die vielversprechenden Annoncen mit einem Kreuz. Dann gehen wir zu ihm nach Hause und telefonieren sie durch. Ich steh immer vor ihm wie ein Kind vor einem Regenbogen. Ungläubig. Amedeo ist wunderbar. Ich höre ihm zu, wie er sein elegantes Italienisch spricht. Nach ein paar Telefonaten schlägt er den
Tuttocittà
auf, wirft darin einen schnellen Blick auf die Stadtpläne, um sicherzugehen, dass die Straßennamen stimmen, notiert den einen oder anderen Vermerk in sein Notizbuch, schaut mich schließlich an und sagt: »Die Restaurants von Rom erwarten Sie, Signor Parviz!« Dann ziehen wir gemeinsam los, um die Restaurantbesitzer zu treffen. Natürlich übernimmt Amedeo das Reden, und ich halte den Mund. Einfach phantastisch, wie überzeugend er ist! Sehr oft fange ich dann noch am selben Tag als Hilfskoch an – um schon in den darauffolgenden Tagen zum Tellerwaschen an den Spültisch verbannt zu werden. Mir fällt es nun mal nicht leicht, in der Küche Anweisungen entgegenzunehmen. Ich hasse es, als Hilfskoch zu arbeiten. Zehnmal lieber
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