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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition)
Autoren: Otfried Preußler
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Bereits Otfried Preußler liebt es in seiner Vorlage knapp: knappe Sprache, knappe Dialoge, keine didaktisch-moralische Anleitung der Leserschaft, viele Andeutungen und Lücken.
    Bei Kreuzpaintner werden die Dialoge sogar noch stärker zurückgenommen. Auch er erklärt kaum etwas, deutet nur an, braucht Bilder anstatt Worte. Nur einmal wird er seinem Konzept auf störende Weise untreu, wenn er das Gesicht der verhüllten Gestalt auf dem Kutschbock zeigt. Es bleibt der einzige plumpe Fantasy-Effekt, weil diese Figur, von der wir längst spüren, dass sie der Tod ist, dadurch banalisiert statt mythisch überhöht wird.
    Sonst aber vertraut »Krabat« auf ein waches Publikum, das keine Sehanleitung benötigt. »Krabat« ist faszinierendes Bilderkino, eigentlich selbstverständlich, aber leider längst nicht mehr alltäglich. Mag die Titelinschrift noch an »Harry Potter« erinnert haben – was folgt, ist geradezu ein Gegenentwurf zum dauerverzauberten Hogwarts. Ja bei Kreuzpaintner wird sogar noch weniger gezaubert als bei Preußler. Special Effects haben keine Chance, sich zu Hauptdarstellern aufzuplustern. Auch die schwankhaften Episoden der Vorlage fallen weg, was die Verfilmung düster, aber auch ungemein stimmungsvoll und konzentriert macht. »Krabat« handelt von Magie, nicht von Zauberei.
    Kreuzpaintners Film handelt von jungen Menschen, die den Verlockungen der Macht verfallen. Wenn sie merken, dass diese Macht keine Freundschaften zulässt und zum Tode führt, ist es zu spät. Der Meister ist ein Antichrist mit zwölf Jüngern, die ihn nicht lieben, sondern fürchten. Was er stiftet, ist nicht Gemeinschaft und Nächstenliebe, sondern Einsamkeit und Missgunst. Seine Mühle ist ein düsterer Kreislauf im Selbstzweck. Es wird Mehl in rauen Mengen gemahlen, aber es entsteht daraus nicht tägliches Brot für alle. Damit kommt Kreuzpaintner, ohne dass er das je plakativ ausdrückt und wahrscheinlich völlig absichtslos, den religiösen Motiven in Preußlers Roman unheimlich nahe.
     
    Packendes Erzählkino
     
    So wie die Sprache Preußlers knapp ist, wirkt die Bildsprache Kreuzpaintners konzentriert. Doch strahlt »Krabat« nie drögen Kunstwillen aus. Wir müssen nicht eine Sekundärliteratur-Verfilmung über uns ergehen lassen, sondern werden von der ersten bis zur letzten Minute von packendem Erzählkino bei Laune gehalten. Dafür sorgen neben den Bildern die Darsteller, die so überzeugend zu einem Ensemble zusammenfinden, dass man ihre Besetzung als selbstverständlich gegeben hinnimmt. Dennoch muss man Daniel Brühl herausheben, weil er der einzige Star in diesem Ensemble ist und somit den schwierigsten Part hat. Er meistert ihn herausragend, gerade weil er kaum etwas Sichtbares dafür unternimmt. Sein Tonda strahlt genau das aus, was er ausstrahlen soll: Ein unendlich trauriges, aber auch unendlich liebevolles Kraftzentrum. Und mit David Kross als Krabat hat Kreuzpaintner einen jugendlichen Hauptdarsteller gefunden, der sich als unbeschriebenes Blatt hervorragend zur Projektionsfläche und Identifikationsfigur eignet.
    »Krabat« versucht nicht die mehrheitsfähige Durchschnittsinterpretation und biedert sich nicht beim Publikum an. Es wird uns die zeitweilige Verdrängung der eigenen Bildwelt zugemutet. Was man dafür geschenkt erhält, ist eindrücklich, mit langem Nachhall – sofern man schnell genug ist, vor der unsäglichen Abspannmusik den Saal zu verlassen.
     
    Copyright © Neue Zürcher Zeitung AG
    Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung
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