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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition)
Autoren: Otfried Preußler
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sich denken: Wie behagt dir das Leben als Krüppel, Krabat? Du hättest es einfacher haben können und besser, wenn du auf mich gehört hättest, als ich dich fragte, ob du mein Nachfolger werden wolltest im Koselbruch! Würdest du, wenn du heute die Wahl hättest, wieder Nein sagen?«
     
    Nacht für Nacht träumte Krabat, dass ihn ein ähnliches Schicksal ereilt habe. Er war alt oder krank, er saß unschuldig hinter Kerkermauern, man hatte ihn zur Armee gepresst, er lag auf den Tod verwundet in einem Kornfeld und musste zusehen, wie sich die niedergebrochenen Halme röteten von dem Blut, das aus seinen Wunden rann. Und am Schluss dieser Träume hörte er jedes Mal, wie er sich mit der Stimme des Meisters fragte: »Würdest du wieder Nein sagen, Krabat, wenn ich dich vor die Wahl stellte, ob du mein Nachfolger werden willst auf der Mühle im Koselbruch?«
    Der Meister erschien ihm nur einmal leibhaftig im Traum, das geschah in der letzten Nacht vor Ablauf der Frist, die er ihm gesetzt hatte.
    Juro zuliebe hat Krabat sich in ein Pferd verwandelt. Der Meister, gekleidet als polnischer Edelmann, hat ihn für hundert Gulden in Wittichenau auf dem Markt erstanden samt Sattel und Halfter: nun ist ihm der Rappe ausgeliefert.
    Erbarmungslos jagt der Meister ihn kreuz und quer durch die Heide, es geht über Stock und Stein, über Hecken und Wassergräben, durch Dornengestrüpp und Morast.
    »Gedenke, dass ich der Meister bin!«
    Blindlings zieht ihm der Müller die Peitsche über, er stößt ihm die Sporen ins Fleisch. Blut fließt aus Krabats Flanken, er spürt, wie es warm an der Innenseite der Schenkel hinabrinnt.
    »Dir werd ich’s zeigen!«
    Linksgalopp, Rechtsgalopp – und dann stracks auf das nächste Dorf zu.
    Ein Ruck an den Zügeln, sie halten vor einer Schmiede.
    »He, Grobschmied – wo steckt Er, zum Teufel!«
    Der Schmied kommt herbeigerannt, wischt sich am Schurzfell die Hände ab, fragt, was der Herr befehle. Der Meister springt aus dem Sattel. »Beschlag Er mir«, sagt er, »den Rappen mit glühenden Eisen.«
    Der Schmied glaubt, nicht recht zu hören. »Mit – glühenden Eisen, Herr?«
    »Muss man Ihm alles zweimal sagen? Ich soll Ihm wohl Beine machen!«
    »Barto!« Der Schmied ruft nach seinem Lehrjungen. »Nimm die Zügel und halte dem gnädigen Herrn das Pferd!«
    Der Schmiedejunge, ein sommersprossiger Knirps, könnte Loboschs Bruder sein.
    »Nimm Er die schwersten Eisen«, verlangt der Müller, »die Er auf Vorrat hat! Zeig Er mir seine Auswahl!«
    Der Schmied führt ihn in die Werkstatt, während der Junge den Rappen festhält und ihm auf Wendisch zuspricht: »Ruhig, mein Pferdchen, ruhig – du zitterst ja.«
    Krabat reibt seinen Kopf an der Schulter des Jungen. »Wenn ich den Halfter los wäre«, denkt er, »dann könnte ich den Versuch machen, mich zu retten  … «
    Der Junge merkt, dass der Rappe wund ist, am linken Ohr hat der Riemen ihn aufgescheuert. »Warte mal«, sagte er, »da muss ich die Schnalle ein bissel lockern, das haben wir gleich.« Er lockert die Schnalle, dann nimmt er dem Rappen den Halfter ab.
    Krabat, sobald er des Halfters ledig ist, wird zum Raben. Krächzend erhebt er sich in die Lüfte und hält auf Schwarzkollm zu.
    Im Dorf scheint die Sonne. Zu seinen Füßen sieht er die Kantorka, wie sie unweit des Brunnens steht, eine Strohschüssel in der Hand, und die Hühner füttert – da streift ihn ein Schatten, der Schrei eines Habichts gellt ihm ins Ohr.
    »Der Meister!«, durchzuckt es Krabat.
    Pfeilschnell, die Flügel angelegt, stürzt er sich in den Brunnen und nimmt die Gestalt eines Fisches an. Ist er gerettet? Zu spät wird ihm klar, dass er sich gefangen hat, dass es keinen Ausweg gibt.
    »Kantorka!«, denkt er mit aller Inbrunst, deren er fähig ist. »Hilf mir heraus da!«
    Das Mädchen taucht ihre Hand in den Brunnen hinab, da wird Krabat zu einem schmalen Goldreif an ihrem Finger: so kehrt er zurück an die Oberwelt.
    Am Brunnen steht, wie vom Himmel gefallen, ein polnisch gekleideter Edelmann, einäugig ist er, er trägt einen roten, silberverschnürten Reitrock mit schwarzen Tressen.
    »Kann Sie mir sagen, Jungfer, woher Sie den feinen Ring hat? Lass Sie ihn mich mal sehen  … «
    Schon streckt er die Hand nach dem Ring aus, schon greift er danach.
    Krabat verwandelt sich in ein Gerstenkorn. Er entgleitet der Kantorka, fällt in die Strohschüssel. Mit dem nächsten Wurf streut das Mädchen ihn unter das Hühnervolk.
    Der Rotrock ist plötzlich
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