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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition)
Autoren: Otfried Preußler
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»ist tot und Michal ist auch tot. Wer sagt mir denn, dass ich nicht der Nächste bin?«
    »Das verspreche ich dir.« Der Müller hielt ihm die linke Hand hin. »Mein Wort darauf – und zugleich das des Herrn Gevatters, der mich zu diesem Versprechen ermächtigt hat, eigens und ausdrücklich.«
    Krabat schlug in die dargebotene Hand nicht ein.
    »Wenn es mich nicht trifft«, fragte er – »trifft es dann einen andern?«
    Der Meister bewegte die Hand, als gelte es, etwas vom Tisch zu wischen. »Einen«, erklärte er, »trifft es immer. Wir könnten von nun an gemeinsam darüber befinden, wer an die Reihe kommt. Nehmen wir einen, um den es nicht schade ist – Lyschko zum Beispiel.«
    »Ich kann ihn nicht ausstehen«, sagte Krabat. »Aber auch er ist mein Mitgeselle und dass ich mich schuldig mache an seinem Tod– oder mitschuldig, aber da sehe ich wenig Unterschied: dazu wirst du mich niemals bringen, Müller im Koselbruch!«
    Krabat war aufgesprungen, voll Abscheu schrie er den Meister an: »Mach du zu deinem Nachfolger, wen du magst! Ich will nichts zu schaffen haben damit, ich will gehen!«
    Der Meister blieb ruhig. »Du gehst, wenn ich dir’s erlaube. Setz dich auf deinen Stuhl und hör zu, bis ich fertig bin.«
    Es fiel Krabat nicht leicht, der Versuchung zu widerstehen, sich jetzt schon auf eine Kraftprobe mit dem Meister einzulassen – trotzdem gehorchte er.
    »Dass dich mein Vorschlag verwirrt hat«, sagte der Müller, »kann ich dir nachfühlen. Darum will ich dir Zeit geben, alles in Ruhe zu überdenken.«
    »Wozu?«, fragte Krabat. »Es bleibt dabei, dass ich Nein sage.«
    »Schade.« Der Meister betrachtete Krabat kopfschüttelnd. »Wenn du auf meinen Vorschlag nicht eingehst, wirst du wohl sterben müssen. Du weißt, dass im Schuppen ein Sarg bereitsteht.«
    »Für wen?«, sagte Krabat. »Das wird sich noch zeigen müssen.«
    Der Meister verzog keine Miene. »Ist dir bekannt, was die Folge wäre, wenn eintreten würde, worauf du zu hoffen scheinst?«
    »Ja«, sagte Krabat. »Ich könnte dann nicht mehr zaubern.«
    »Und?«, gab der Meister ihm zu bedenken. »Du wärest bereit, das in Kauf zu nehmen?«
    Er schien einen Augenblick nachzudenken, dann lehnte er sich im Sessel zurück und sagte: »Nun gut – ich gewähre dir eine Frist von acht Tagen. In dieser Zeit, dafür sorge ich, wirst du Gelegenheit haben zu lernen, wie es sich lebt, wenn man nicht mehr zaubern kann. Alles und jedes, was du im Lauf der Jahre bei mir gelernt hast – von dieser Stunde an soll es aus und vergessen sein! Heute in einer Woche, am Vorabend des Silvestertages, werde ich dich ein letztes Mal fragen, ob du mein Nachfolger werden magst: dann wird es sich ja herausstellen, ob du auf deiner Antwort beharren willst.«

 
    Das war eine harte Woche für Krabat, er fühlte sich in die Zeit seines Anfanges auf der Mühle zurückversetzt. Jeder Maltersack, der fünf Metzen wog, wog fünf Metzen, die wollten geschleppt sein: vom Speicher zur Mahlstube, von der Mahlstube auf den Speicher. Krabat blieb nichts erspart, seit er nicht mehr zaubern konnte: kein Schweißtropfen, keine Schwiele.
    Abends sank er erschöpft auf den Strohsack. Er konnte nicht einschlafen, viele Stunden nicht. Wer zaubern kann, braucht nur die Augen zu schließen, er spricht eine Formel, dann schläft er schon, tief und fest und so lang, wie er sich das vornimmt.
    »Mag sein«, dachte Krabat, »dass ich die Fähigkeit, mich in Schlaf zu versetzen, am meisten von allem vermissen werde.«
    Wenn er nach langem Wachliegen endlich einschlief, quälten ihn böse Träume: die kamen gewiss nicht von ungefähr. Er konnte sich an zwei Fingern ausrechnen, wer sie ihn träumen ließ.
     
    Krabat, in abgerissenen Kleidern, plagt sich mit einem Karren voll Steine ab, den er mühsam bei glühender Sommerhitze an einem Strick über Land zieht. Es dürstet ihn, seine Kehle ist ausgedörrt. Nirgends ein Brunnen und nirgends ein Baum, der ihm Schatten spendet.
    Verdammter Karren!
    Er muss ihn zu Ochsenblaschke nach Kamenz bringen, für einen Hungerlohn. Doch der Mensch muss von etwas leben und seit er den Unfall hatte – in Gerbisdorf war das, da ist er ins Mahlwerk geraten, das hat ihm den rechten Arm bis zum Ellbogen abgequetscht: seither muss Krabat froh sein um jede Arbeit, die jemand wie Ochsenblaschke ihm zukommen lässt.
    Und so schleppt er sich mit dem Karren voll Steine dahin und er hört, wie er denkt – mit der heiseren Stimme des Meisters hört er
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