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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition)
Autoren: Otfried Preußler
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hatte. Weiß war die Welt geworden und wiederum überkam sie bei diesem Anblick die große Unruhe.
    Krabat wusste ja nun Bescheid. Es gab auf der Mühle nur einen, der es sich nicht erklären konnte: Lobosch, der während der Zeit seines Hierseins nur wenig gewachsen und trotzdem inzwischen aus einem Jungen von vierzehn Jahren zu einem Burschen von nahezu siebzehn geworden war.
    Eines Morgens, nachdem er im Spaß einen Schneeball nach Andrusch geworfen hatte und Andrusch ihm an den Kragen wollte, was Krabat durch sein Dazwischentreten verhinderte – eines Morgens erkundigte Lobosch sich, was denn um Himmels willen in seine Mitgesellen gefahren sei.
    »Angst«, sagte Krabat mit einem Achselzucken.
    »Angst?«, fragte Lobosch. »Wovor?«
    »Sei froh«, meinte Krabat ausweichend, »dass es dir noch verborgen ist. Früh genug wirst du es erfahren.«
    »Und du?«, wollte Lobosch wissen. »Du, Krabat, hast keine Angst?«
    »Mehr als du ahnst«, sagte Krabat. »Und nicht nur um mich allein.«
     
    In der Woche vor Weihnachten fuhr noch einmal der Herr Gevatter im Koselbruch vor. Die Mühlknappen stürzten hinaus, um die Säcke abzuladen. Der Fremde blieb nicht wie sonst auf dem Kutschbock sitzen: in dieser Neumondnacht stieg er vom Wagen und hinkend begab er sich mit dem Meister ins Haus. Sie sahen die Hahnenfeder hinter den Scheiben flackern, als loderte in der Stube Feuer.
    Hanzo ließ Fackeln holen. Schweigend luden die Burschen das Mahlgut vom Wagen und schleppten es in die Mahlstube. Sie beschickten den Toten Gang damit, ließen das Mehl in die leeren Säcke laufen und packten sie wieder aufs Fuhrwerk.
    Im Morgengrauen kehrte der Fremde zum Wagen zurück, allein, und bestieg den Bock. Bevor er davonfuhr, wandte er sich den Burschen zu.
    »Wer ist Krabat?«
    Glühende Kohlen und klirrender Frost in einem.
    »Ich«, sagte Krabat mit einem Würgen im Hals und trat vor.
    Der Fuhrmann betrachtete ihn und nickte. »Ist gut.« Dann schwang er die Peitsche und rumpelte mit dem Wagen davon.
     
    Der Müller verbarg sich drei Tage und Nächte lang in der Schwarzen Kammer. Am Abend des vierten Tages, das war einen Tag vor dem Weihnachtsfest, ließ er Krabat rufen.
    »Ich habe«, begann er, »mit dir zu reden. Es dürfte dir, wie ich meine, kaum überraschend kommen. Noch steht es dir frei, wie du dich entscheidest – ob für oder gegen mich.«
    Krabat versuchte den Ahnungslosen zu spielen. »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
    Der Meister schenkte ihm keinen Glauben. »Vergiss nicht, dass ich dich besser kenne, als es dir lieb sein mag. Mancher hat sich im Lauf der Jahre schon gegen mich aufgelehnt: Tonda zum Beispiel und Michal, um nur die beiden zu nennen. Dummköpfe, Schwarmgeister! Dir aber, Krabat, hätte ich zugetraut, dass du klüger bist. Willst du mein Nachfolger werden, hier auf der Mühle? Du hättest das Zeug dazu!«
    »Gehst du weg?«, fragte Krabat.
    »Ich habe es satt hier.« Der Meister lockerte sich den Kragen. »Es lockt mich, ein freier Mann zu werden. In zwei, drei Jahren könntest du meine Nachfolge antreten und die Schule fortführen. Wenn du zusagst, gehört dir alles, was ich zurücklasse, auch der Koraktor.«
    »Und du?«, fragte Krabat.
    »Ich werde mich an den Hof begeben. Als Staatsminister, als Feldherr, als Kanzler der Krone von Polen vielleicht – je nachdem, was mir Spaß macht. Die Herren werden mich fürchten, die Damen mir um den Bart gehen, weil ich reich und von Einfluss bin. Jede Tür steht mir offen, man sucht meinen Rat, meine Fürsprache. Wer es wagt, sich mir nicht zu fügen, den schaffe ich mir vom Hals, denn ich kann ja zaubern und werde mich meiner Macht zu bedienen wissen, das darfst du mir glauben, Krabat!«
    Er war in die Hitze gekommen, sein Auge glühte, das Blut war ihm zu Gesicht gestiegen. »Auch du«, fuhr er ruhiger werdend fort, »kannst es ähnlich halten. Nach zwölf oder fünfzehn Jahren, in denen du auf der Mühle im Koselbruch Meister gewesen bist, suchst du dir unter den Mühlknappen einen Nachfolger aus, übergibst ihm den ganzen Kram – und bist frei für ein Leben in Pracht und Herrlichkeit.«
    Krabat bemühte sich, seinen klaren Kopf zu behalten. Er zwang sich, an Tonda und Michal zu denken. Hatte er nicht gelobt, sie zu rächen – sie und die anderen auf dem Wüsten Plan, Worschula nicht zu vergesssen und Merten auch nicht, der zwar noch lebte mit seinem schiefen Hals: aber was für ein Leben war das?
    »Tonda«, hielt er dem Meister entgegen,
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