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Korsar und Kavalier

Titel: Korsar und Kavalier
Autoren: Karen Hawkins
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„Hier. “ Er drückte es seinem Bruder in die Hand. „Nimm.“
    „Tris, wir sind im ersten Stock.“
    „Uns bleibt nichts anderes übrig. Ich komm gleich nach ... “
    Die Tür flog auf. Mr. Brooks stürmte herein, mit zerknitterter Krawatte und wildem Blick. Hinter ihm stand ein großer, ausgemergelter Kerl mit alkoholgeröteten Augen.
    Panik überkam Tristan. Ohne nachzudenken, wirbelte er herum und schubste seinen Bruder aus dem Fenster. Der umklammerte im Fallen krampfhaft die Kerzenständer. Ein Schrei hallte durch die Nacht.
    „Mein Gott!“, rief Brooks und machte einen Satz nach vom. Sein Gesicht war bleich.
    Tristan wollte ebenfalls zum Fenster hinaus, doch Brooks’ Begleiter war schneller. „Du verflixtes Balg!“, schrie der Mann. Er ergriff Tristan und zog ihn grob ins Zimmer zurück.
    Tristan schlug um sich, erwischte den Mann am Schienbein.
    „Du ... du ... das lässt Jack Danter sich von keinem gefallen!“
    Der Mann packte Tristan noch fester, bis der beinah keine Luft mehr bekam.
    „Vorsichtig, Danter!“, rief Brooks. Er sah ganz krank aus. „Du ... du hast versprochen, dass ihnen nichts passiert.“
    „Hör auf zu jammern, und hol mir den anderen!“, fuhr Danter ihn an und fletschte die gelben Zähne. „Um den da kümmer ich mich schon. “
    Der Hauslehrer schluckte. „Ich glaube nicht, dass ich ...“
    „Dann gib mir das Moos, das du mir schuldest!“ Danter machte schmale Augen und verstärkte nochmals den Griff um Tristans Mitte.
    Der Junge rang nach Atem. Seine Brust brannte, sein Blick war verschwommen. Lauf, Christian! Bring dich in Sicherheit, dachte er immer wieder beschwörend.
    Brooks sah Tristan an. In seinen Augen lag ein unsagbar trauriger Ausdruck. Einen Moment glaubte Tristan schon, sein Hauslehrer käme ihm doch noch zu Hilfe. Aber stattdessen sank der Mann in sich zusammen, wandte sich ab und stahl sich zur Tür hinaus.
    Heller Zorn loderte in Tristan auf. Er atmete tief durch und riss sich von Danter los. „Christian! LAUF!“
    Danter packte Tristan an der Kehle und holte mit der Faust aus. Sein Gesicht war wutverzerrt.
    Wie im Traum sah Tristan die Faust auf sich zukommen. Er konnte nichts tun. Er war verloren. Er konnte nur noch hoffen, dass Christian es geschafft hatte, dass sein einziger Bruder nicht in den Tod gestürzt war, als er ihn aus dem Fenster gestoßen hatte.
    Dies war sein letzter Gedanke, ehe die Faust an seine Schläfe krachte und alles um ihn in Dunkelheit versank.

1. KAPITEL
    Ein Butler trachtet zuvorderst danach, seinem Dienstherrn treu und diskret zu dienen. Dazu gehören Tatkraft, Entschiedenheit, möglicherweise eine gehörige Portion Langmut und in jedem Fall ein sehr, sehr schlechtes Gedächtnis.
    Leitfaden für den vollkommenen Butler und Kammerherrn von Richard Robert Reeves
    Rochester House Somerset, England, 1806
    Herrlich und hell glänzend wand sich der Fluss durch die sorgfältig gepflegten Wälder, flirtete hier und da mit einem Kiesweg, bevor er sich sanft in einen großen, klaren Teich ergoss. Im tiefblauen Wasser spiegelte sich die makellose Silhouette einer eleganten Rotunde mit Säulen und einem Brunnen aus rosa Marmor. Der Pavillon diente Lord und Lady, Fürst und Bettelmann schon seit Jahren als Treffpunkt für Stelldicheins.
    Über diesem erstaunlich effektvoll angelegten idyllischen Fleckchen erhob sich ein sanfter Hügel. Darauf thronte wie eine Krone auf einem Samtkissen ein majestätisches Herrenhaus aus goldgelbem Ziegelstein, dessen Fenster in der späten Nachmittagssonne einladend blitzten.
    Rochester House galt allgemein als Inbegriff vornehmer Kultiviertheit. Der König höchstpersönlich hatte das Haus und seine Einrichtung beifällig als „das feinste in ganz England“ bezeichnet.
    Das lag nun beinah ein halbes Jahrhundert zurück. Damals hatte der Earl das Kompliment einfach mit einem Kopfnicken entgegengenommen. Insgeheim war er natürlich hocherfreut, aber es wäre ungehobelt gewesen, dies auch zu zeigen. Und ein Rochester war niemals ungehobelt.
    Wenn er allein war, kostete er das königliche Kompliment jedoch weidlich aus. Jede Nacht, wenn er zu Bett ging, dachte er an die Worte und an die Miene des Königs. Es half Rochester beim Einschlafen, und oft bescherte es ihm ganz entzückende Träume.
    Jetzt natürlich nicht mehr. Jetzt war er vollauf von der enervierenden Aufgabe in Atem gehalten, in Würde zu sterben.
    Das Sterben fand er dabei noch relativ einfach. Die Würde war es, die ihm Schwierigkeiten
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