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Korrupt (German Edition)

Korrupt (German Edition)

Titel: Korrupt (German Edition)
Autoren: Robert Kviby
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«Wir können jetzt nichts tun. Später vielleicht, aber jetzt nicht.»
    Sie verstummten, und schließlich stand Sture Hult auf und nahm drei Gläser aus der Anrichte. Er stellte sie mit einer halbvollen Flasche Whisky auf den Tisch. Dann ließ er sich schwer auf seinen Stuhl fallen. Er schenkte sich ein, hielt die Flasche über das nächste Glas und sah Max an.
    «Nein, danke.»
    «Ein Glas Wasser», sagte Annie, stand auf und ging zur Spüle.
    «Selber schuld», meinte Sture Hult und leerte sein Glas. Er verzog das Gesicht und goss sich noch ein Glas ein. Er lehnte sich zurück und sagte: «Ich gehe morgens mit dem Hund der Nachbarin spazieren. Sie hat Nachtschicht, und ihr Mann ist geschäftlich auf Reisen. Ich helfe ihnen.» Er klopfte mit dem Zeigefinger an sein Glas. «Sie fängt um Mitternacht an, hört gegen acht auf und fährt dann nach Hause.» Er sah Max an. «Sie haben zwei Autos. Die Autoschlüssel liegen im Haus. Es kommt vor, dass ich mir einen Wagen leihe, wenn ich einkaufen will und das Wetter zu schlecht ist.»
    Max’ Miene hellte sich auf. «Glauben Sie, das wäre möglich?»
    Sture sah auf die Uhr und stand auf. «Wir müssen während der Fahrt essen.» Er öffnete die Speisekammer, nahm ein paar Esswaren heraus und reichte sie Annie, die sie auf den Tisch stellte. «Sobald die Nachbarin zur Arbeit gefahren ist, geht’s los. Morgen lade ich Sie in Amsterdam ab.»
    Annie sagte: «Sie ahnen gar nicht, wie sehr Sie uns damit helfen.»
    Sture Hult drehte sich zu ihr um. «Ich habe meine guten Gründe», sagte er, verließ die Küche und kehrte mit einem Foto in einem kleinen Rahmen zurück. «Das ist für Sie», sagte er und überreichte es Annie.
    Es war das Foto ihrer Mutter, das er aufgenommen hatte, als sie gerade nach Flen gezogen war. Annie ließ sich auf Max’ Schoß sinken und starrte das Bild an. Ihre Mutter und sie sahen sich zum Verwechseln ähnlich.
     
    Kurz nach Mitternacht löschten sie in Stures Haus das Licht und gingen zu den Nachbarn. Sture schloss die Tür auf, und Max sah, wie in der Küche das Licht anging. Nach ein paar Minuten kehrte er mit den Autoschlüsseln zurück, und sie packten ihre Sachen in den Wagen.
    «Jetzt fahren wir», sagte Sture, warf Annie auf dem Rücksitz einen Blick zu und ließ den Motor an. «Nun brauchen wir alle etwas Glück. Und Gottes Segen», fügte er hinzu, als der Wagen langsam anrollte.
    Sie fuhren die ganze Nacht und sprachen über alles, was geschehen war, und schliefen abwechselnd bei Mingus auf dem Rücksitz. Am frühen Morgen hielten sie auf einem Rastplatz bei Ängelholm, und während Sture und Annie ein letztes Mal durchgingen, wie sie sich an der Grenze zu verhalten gedachten, ging Max zu einer Telefonzelle, um Vitomir Jozak mitzuteilen, dass bislang alles glattgegangen war, und um zu fragen, wie es Milan Gvero ergangen war.
    15
    Als es an der Tür klingelte, dachte Sissi, es sei Tomas. Jeden Morgen vergaß er etwas, seine Brieftasche, seine Butterbrote oder seinen Autoschlüssel. Sie lachte, als sie zur Tür ging, um aufzumachen. Sie freute sich schon auf seine beschämte Miene, wenn er sie darum bat, ihm das Vergessene zu holen. Sie schloss die Tür auf und öffnete, ohne durch den Spion zu schauen. Als sie den Jugo Avram Gavrić im Treppenhaus sah, versuchte sie die Tür zuzuschlagen, aber es war zu spät. Er stand bereits in der Diele.

Donnerstag, 2 . November 1989  – Freitag, 9 . Februar 1990

Ende
    1
    Vor ein paar Tagen war Johan Droth Richtung Süden gefahren. Jetzt befand er sich auf der A  4 wieder kurz vor Sarre-Union auf dem Weg nach Norden. Es war nur wenig Verkehr. Erik Satie erklang leise aus der Stereoanlage, und die Autobahn wurde von dichtem Wald und hellbraunen Äckern gesäumt. Die Erde war schneefrei, aber in den Bäumen funkelte Raureif.
    Diese Gegend hatte einmal zum Römischen Reich gehört. Später zum Deutschrömischen, in dem man gerne an eine Tradition anknüpfen wollte, die zweitausend Jahre zuvor begonnen hatte. Dann war das Land in französische, deutsche und wieder in französische Herrschaft übergegangen. Hitler hatte 1940 vor der Straßburger Kathedrale am Rednerpult gestanden und seine Zuhörer gefragt: «Sollen wir den Franzosen dieses Juwel zurückgeben?» Das Publikum, überwiegend deutsche Soldaten, hatte euphorisch mit «Nie» geantwortet. Anschließend hatte Hitler Elsass-Lothringen an zwei seiner Gauleiter übergeben. Robert Wagner aus Baden hatte im Elsass das Sagen gehabt, und Josef
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