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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd
Autoren: Florian Homm
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dreht, ist das alles kein Problem. 100.000 Euro lassen sich leicht in einer großen Brieftasche unterbringen. Das sind lediglich 200 eng aufeinandergepresste 500-Euro-Scheine. Aber versuchen Sie das mit 200.000 Dollar. Dafür brauchen Sie einen ganzen Schuhkarton. Ich trug sehr enge Calvin-Klein-Unterwäsche mit einem sehr starken Elastikbund, und so konnte ich das ganze Geld rund um meine Taille, an beiden Seiten meiner Genitalien und sogar zwischen meinen Pobacken einklemmen. Das Endergebnis ließ meine Taille und meinen Genitalbereich um gut fünf Zentimeter anschwellen. Ich bin außerordentlich eitel und fand, dass ich nicht nur wie weit über 50 aussah, sondern zudem zu einer Art Michelin-Männchen mutiert war.
    Als das Flugzeug abhob, war ich zutiefst aufgewühlt und mein Kopf befand sich in einem dichten Nebel. Alles, was ich wusste, war, dass ich mich einfach ändern musste, um zu überleben, aber der Kollateralschaden, den ich hinterließ, war ganz erheblich. Ich brach alle Verbindungen zu meiner bisherigen Existenz ab – Kollegen, Kunden, Bekannte, Freunde, Betthäschen, Hunde, Familien und Kinder – und vernichtete in diesem Prozess mein gewaltiges Vermögen.
    André Gide hatte das treffend auf den Punkt gebracht: »Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, alte Küsten aus den Augen zu verlieren.« Ich hatte keine Ahnung, ob ich die Küste je wiedersehen würde.

Teil I: Anfänge
    1. Eine reizende Familie
    Kein Preis ist zu hoch für das Privileg, sich selbst zu gehören.
    Friedrich Nietzsche
    Dein Heim gilt als vorbildliches Heim, dein Leben als vorbildliches Leben. Doch all diese Pracht, einschließlich deiner selbst … Es ist, als sei all das auf Treibsand gebaut. Es könnte ein Moment kommen, ein Wort gesprochen werden, und sowohl du als auch die gesamte Pracht werden einstürzen.
    Henrik Ibsen
    Mein Zuhause war nie ein vorbildliches Zuhause. Es war von Anfang an zerrüttet.
    Mütterlicherseits lassen sich die Familienwurzeln bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen und schließen Peter Joseph Valckenberg ein, berühmter Weinexporteur und Bürgermeister der Stadt Worms (1813–1837), die zu den Freien Städten des Heiligen Römischen Reiches gehörte. Neben seinem Bürgermeisteramt war er ein cleverer Unternehmer, der die Weinberge rund um die Wormser Liebfrauenkirche erwarb und den dort angebauten und damals schon berühmten Wein, die Liebfrauenmilch , ins Ausland exportierte.
    Im Stammbaum dieser mächtigen und einflussreichen Familie, die ihren Ursprung in Rheinland-Pfalz und Franken hat, sind auch einige Adlige vertreten. Ein Familienwappen beschreibt einen feuerspeienden Drachen, der ein Schild hält, das seltsamerweise mit einem Davidsstern verziert ist. Als ich einst in Boston einen Wappenring für meine damalige Frau anfertigen ließ, fragte mich der armenische Juwelier, ob ich den Judenstern behalten wolle, ob ich nicht eher das christlichere Pentagramm als geeignetere Alternative für ein nichtjüdisches Paar vorzöge. Meine Frau und ich sahen uns an und fingen gleichzeitig an zu lachen – und entschieden uns für den Davidsstern. Wir wollten die Geschichte nicht verzerren, nur um irgendeinen Anschein zu wahren.
    War es möglich, dass Bürgermeister Valckenberg jüdische Ursprünge hatte? Necko würde sich im Grab umdrehen, wenn er mich jetzt hören könnte. Valckenberg wäre gewiss nicht der erste Deutsche mit jüdischen Vorfahren, der sich in den Industrieadel einkaufte und dabei seine jüdische Herkunft vergaß. Wir besitzen einige merkwürdige Familienporträts, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Dachboden unserer Nachbarn aufgetaucht sind und auf denen die wunderbare mexikanische Großmutter meiner Mutter Uschi abgebildet ist, die Maria Eva Peres hieß und kurz nach dem Ersten Weltkrieg ohne große Umstände aus dem ursprünglichen Familienstammbaum entfernt wurde. Meine Exfrau war davon überzeugt, dass meine Mutter und ich zum Teil jüdisches Blut haben.
    Neben wohlhabenden Patriarchen mit versteckten semitischen Wurzeln gibt es Generationen von Warenhändlern, Textil- und Kohlebarone, ein Parlamentsmitglied, einen ehemaligen Widerstandskämpfer, der für die Alliierten spionierte, sowie eine zentrale Figur in Hitlers Nazideutschland: den Einzelhandelsmagnaten und Träger einer olympischen Goldmedaille – meinen Großonkel Dr. Josef Neckermann. Necko, wie wir ihn nannten, wurde mein Vorbild und war zudem mein De-facto-Großvater.
    Meine Großeltern
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