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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd
Autoren: Florian Homm
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hatte den Auftrag, ungefähr 30 Gemälde von Museumsqualität zu transportieren. Ich trat als Eigentümer auf, aber der Transportauftrag lautete auf Susans Namen. Auf diese Weise hätte ich vor Gericht immer argumentieren können, dass wir gemeinsam beschlossen hätten, die Gemälde in die Schweiz zu bringen. Dann hätte Aussage gegen Aussage gestanden. Das hätte ich schon hinbekommen.
    Unglücklicherweise riss meine Ex dem Fahrer wie eine wütende Kobra den Auftragsbeleg aus der Hand, überflog die Einzelheiten und warf mir einen derart vernichtenden Blick zu, dass selbst eine amoralische Kreatur wie ich vor Scham rot wurde. Falls sie ganz fies werden wollte, dachte ich, konnte sie mich wegen versuchten Kunstraubs verklagen. Das war eine schwere Straftat, auf die satte zehn Jahre Gefängnis standen. Ich war ausgeknockt worden wie ein Anfänger von einem Großmeister. Diese Frau kannte mich einfach zu gut. Sie hatte meine Absichten perfekt vorausgesehen.
    Susan rannte zurück ins Haus. Ich jagte ihr hinterher und versuchte, ihr den Beleg zu entreißen. Unterdessen flippte Kevin völlig aus und hüpfte auf und ab wie ein Zulu-Krieger und schrie aus Leibeskräften: Policía, policía . Ich hatte Kevin immer gemocht, aber diese Reaktion fand ich äußerst erheiternd und zugleich ziemlich abgedreht. Vielleicht wirkte ich bedrohlich und außer mir, aber ich würde ihnen gewiss nicht den Kopf abreißen wie ein wütender Werwolf. Zumindest war das nicht meine Absicht.
    Ich hatte mit dem Aktienleerverkauf und der Plünderung von Unternehmen viel Geld verdient. Man muss ziemlich unsensibel und aggressiv sein, um auf diesem Gebiet erfolgreich zu sein. Diese Szene war im Vergleich dazu harmlos. Zwar ist es mir noch nie wichtig gewesen, beliebt zu sein, aber meine Analyse der Situation – und wenn man mir irgendetwas nachsagen kann, dann, dass ich hoch analytisch bin – sagte mir, dass ich Susan und ihren Bruder ganz gewiss nicht zusammenschlagen würde, um an diesen Beleg zu kommen. Plötzlich kam mir die ganze Hässlichkeit der Situation zu Bewusstsein. Die wertvollsten Antiquitäten waren für immer verloren und für meine Ex war ich nun nichts anderes mehr als ein gewöhnlicher Dieb. Ich beschloss, die Verluste einzustecken – die wichtigste Investitionsregel – und das Ganze abzuschreiben.
    Während Kevin seine rituellen Stammestänze perfektionierte, fiel mir auf, dass meine Ex mindestens 15 Pfund abgenommen hatte, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Unsere Trennung hatte ihr eindeutig gutgetan. Wahrscheinlich motzte sie sich für den Single-Markt auf. Nichtsdestotrotz wirkte Susan wie ein sinnliches, distanziertes Supermodel Mitte dreißig, sehr appetitlich und mit einem Hauch von Weisheit und Reife. Ihre Bewegungen und ihre Wut hatten ihren ausgeprägten Wangenknochen eine natürliche Röte verliehen. Seit Jahren hatte sie nicht mehr so sexy ausgesehen. Allerdings war das nicht der beste Zeitpunkt, um sich mit einem solchen Thema zu beschäftigen.
    Als sie weg war, instruierte ich meine 24/7-Infrastruktur aus Anwälten, Wirtschaftsprüfern und Assistentinnen. Es dauerte weniger als 30 Minuten, bis wir alle Aktienoptionen los waren, die noch nicht ausgeübt und von Susans zweitem Bruder Philip, ihrem Rechtsanwalt, auf unsere Kinder übertragen worden waren. Auf diese Weise sparte ich viele Millionen Euros. Am Ende erschienen die Tagesverluste nicht mehr so dramatisch. Außerdem konnte ich immer neue Bilder kaufen.
    Nach dem Debakel beschloss meine Mutter plötzlich, dass die Kunstwerke, die sie mir vor Jahrzehnten geschenkt hatte, nur Dauerleihgaben gewesen waren, die innerhalb von 24 Stunden abgerufen werden konnten. Das war natürlich lächerlich. Uschi wollte einfach nicht, dass Susan ein beträchtlicher Teil der Homm-Sammlung in die Hände fiel. Da ich nicht bereit war, mich mit dieser erbärmlichen Episode länger zu beschäftigen oder einen aufwendigen Prozess gegen meine Ex zu führen, den ich wahrscheinlich sowieso verlieren würde, stellte ich Uschi einen großzügigen Scheck aus, um sie für den schmerzlichen Verlust zu entschädigen. Meine Mutter war glücklich – sie hatte sich in dem Gefühl ihrer eigenen Großzügigkeit gesonnt, indem sie ihrem Sohn einige wertvolle Kunstwerke aus dem Familienbesitz geschenkt hatte, und wurde nun auch noch dafür bezahlt. Am Ende hatten mich sowohl meine Ex als auch meine Mutter beschissen.
    Susan Elaine Devine. Es war ihre Schuld, dass die letzten 18 Jahre die
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