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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd
Autoren: Florian Homm
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Dachterrasse. Ich befand mich auf rasanter Talfahrt.
    Ich wusste, dass dieser Trade hirnrissig war, als ich ihn einging, war aber zu dämlich oder zu geil, um gleich die Reißleine zu ziehen. Allerdings war ich immer noch rational genug, um das Verhältnis zu beenden, sobald der erste Zucker abgeschleckt war. Die Affäre dauerte ungefähr drei Monate, und ich hatte sie zeitlich perfekt abgestimmt. Kurz vor meinem Abschied im September gab ich Miss Moskau den Laufpass, allerdings nicht ohne ihr eine Abfindung zu zahlen. Nachdem ich sie verabschiedet hatte, hörte sie nicht auf, darum zu betteln, dass ich ihr eine Wohnung kaufe. Außerdem beteuerte sie, sie würde auch dann mit mir zusammenbleiben, wenn ich ein armer Mann sei. Die Logik dieses Paradoxons amüsierte mich und machte mich zugleich perplex. Sie verglich ihren Trennungsschmerz mit dem Verlust ihrer Lieblingspuppe aus Kindertagen. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte eine Freundin aus dem Hochadel mir dabei geholfen, die Villa einer äußerst unzugänglichen und reservierten Erbin eines der größten Industrievermögen Europas zu mieten. Beide verziehen mir nie, dass ich meinen Müll in die Villa schleppte, aber damit konnte ich leben. ­Sorry, Mädels, blöd gelaufen. Diese eine Episode ist der Beweis für den schwer verwirrten geistigen und moralischen Zustand, in dem ich mich zu jenem Zeitpunkt befand.
    Ich hatte eine Affäre mit Carmen begonnen, einer 27-jährigen, jüngeren, frischeren und größeren Ausgabe von Pamela Anderson. Eines Tages kam ich im Morgengrauen nach einer Nacht, in der ich mit ihr durch verschiedene Klubs gezogen war, auf mein Anwesen in Palma zurück. Die Sonne ging gerade auf und die klare Frühlingsluft, die sanft von den Hügeln herunterwehte, strich mir leicht über das Gesicht. Ich war nicht angetrunken. Zwar hatte ich die ganze Nacht getanzt und herumgealbert, aber gegen Mitternacht hatte ich aufgehört zu trinken. Ich war auch nicht müde. Ich hatte ein ­Geschäftsfrühstück und einen Flug nach London arrangiert und mir blieb gerade genug Zeit, um eine Runde zu schwimmen und mich zu rasieren. An das, was als Nächstes geschah, kann ich mich nicht mehr vollständig erinnern. Ich verlor mein Bewusstsein und krachte auf einer schmalen Landstraße, die ich schon viele Hundert Mal zuvor entlanggefahren war, mit 100 Stundenkilometern frontal gegen eine Mauer.
    Der Unfall war kein Zufall. Ich wusste, dass ich zwei Jahrzehnte an Liebe und tiefer Freundschaft schändete. Ich hatte unserer Verbindung jedes ­Fundament entzogen. Ich löschte die Erinnerung an meine Seelengefährtin mit einem Pin­up-Gir l, einer ehemaligen Stripperin. Carmen hatte ihre natürlichen und künstlichen Attribute stets zu ihrem Besten zu nutzen gewusst. Sie war clever genug gewesen, um eine Meile von meinem Nachtklub auf dem Paseo Marítimo entfernt eine eigene Bar zu besitzen. Kann ich ihr irgendetwas vorwerfen? Natürlich nicht! Sie machte einfach ihr Ding und ich fuhr darauf ab. So dachte ich zumindest eine Zeit lang.
    Susan dagegen ist stets eine hingebungsvolle und fürsorgliche Seele gewesen. Sie ist ein Geber und kein Nehmer. Irgendwann in ihrer Jugend hatte sie beschlossen, ihr Hirn zu entwickeln und ihre Seele zu pflegen – anstatt sich Silikon in die Brust zu spritzen – und die größte »Lancaster-Bibliothek« der Welt aufzubauen. Sie beherrscht fünf Sprachen und kauft Wurst für ausgesetzte Straßenhunde. Muss ich mehr über sie sagen?
    Gott verachtete mich dafür, dass ich seine Mini-Maria, seine Lichtträgerin und meine Spurensucherin – einige der Namen, die ich Susan während unserer Beziehung gab – verletzte. An diesem Morgen war Gottes Zorn so unverkennbar wie mein eigener Todeswunsch. Ich hatte meine Seele erbärmlich verkommen lassen. Ich hatte mich dem Mammon unterworfen. Ich war primitiv und liebte das Vulgäre. Ich war geblendet von Reichtümern, Macht und egoistischen Vergnügungen. Ich spürte Gottes Verachtung. Ich wusste, dass ich vollkommen falsch handelte, und suchte unbewusst die Selbstzerstörung. Mein Autopilot steuerte auf den Hades zu. Ich war schwach und ließ mich treiben. Nichts konnte meine Abwärtsspirale aufhalten. Mein Schicksal war besiegelt.
    Das Auto erlitt einen Totalschaden. Meine Beine waren zermalmt. Ich hätte tot oder zumindest verkrüppelt sein müssen. Es dauerte eine Stunde, bis man mich aus dem Auto geschweißt hatte. Der Meniskus meines linken Knies war zertrümmert. Die Windschutzscheibe
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