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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd
Autoren: Florian Homm
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glücklichsten und ausgeglichensten meines Lebens gewesen waren. Sie hatte mich zu großartigen Kindern genötigt (angesichts meiner eigenen Kindheit wollte ich nie Kinder haben) und war eine tolle, liebevolle Mutter. Außerdem trug sie maßgeblich zum Aufbau meines ersten börsennotierten Unternehmens VMR bei. Wie beschämend für sie, dass sie versuchte, aus mir einen besseren, glücklicheren und reicheren Mann zu machen! Die zusätzlichen Aktien, die sie mir in der dritten Scheidungsverhandlung abpresste, würden nach meinem Rücktritt von ACMH ziemlich wertlos sein. Dieser kurze Gedanke hob meine Stimmung. So ist nun einmal die Natur des moralischen Bankrotts.
    Das moralische Knäuel vermengte sich seit einiger Zeit mit einem wachsenden Gefühl der beruflichen Frustration, das schnell zu einer völligen und elenden Desillusionierung mutierte. Neben dem nervenaufreibenden und zeitaufwendigen Krieg mit meiner Ex verbrachte ich meine Zeit damit, ACMH-Kollegen abzuwehren, die mich attakierten – vor allem JR und sein Handlanger, D. Mein plötzlicher Rückzug aus der Welt der Hochfinanz und der High Society würde sicherlich Wellen schlagen. Einige Leute, die ihr Geld ACMH anvertraut hatten, waren durchaus zu einer unberechenbaren und unangenehmen Reaktion in der Lage, wenn sie den Wert ihrer Geldanlagen aufgrund meines kurz bevorstehenden Rücktritts einbrechen sahen. Eine völlig einseitige negative Medienberichterstattung auf Basis dreister Lügen sowie verzerrter Wahrheiten waren unvermeidlich, aber das war im Wesentlichen ein Nebenschauplatz.
    Das grundlegende Problem bestand darin, dass ich mein Universum satt hatte. Als die gesamte westliche Finanzwelt die Motoren aufdrehte und auf den großen Boom setzte, erlebte ich meinen ganz persönlichen Urknall. Ich hatte geplant, aus ACMH ein Unternehmen zu machen, das über meine Beteiligung am Tagesgeschäft hinaus Erfolg haben würde, aber genau wie es für den großen Finanz-Voodoo galt, war auch diese Show zu Ende. Es war kein Trumpf mehr im Hut, und anstatt des phänomenalen Rausches, der die Show bis dahin gewesen war, begann sie nun, mich zu verschlingen. Ich wurde Zeuge meines eigenen Verfalls, der so weit gediehen war, dass ich physisch nicht einmal mehr in der Lage war zu lächeln – so wie das obszöne Spiegelbild eines Clowns, der seine grinsende Maske nicht mehr ablegen kann. Gewiss war alles besser, als sich mit irgendwelchen oberflächlichen Nachtpflanzen abzugeben und meine Wachstunden mit brutal illoyalen Parasiten zu verbringen. Nun gut, fast alles – Selbstmord kam für mich nicht in Frage. Ich habe bei mehr als einem halben Dutzend Gelegenheiten mit dem Tod geflirtet und glaubte damals nicht an das Geschwätz vom Leben nach dem Tod. Himmel und Hölle befinden sich genau hier auf der Erde und ich kenne mich an beiden Orten gut aus.
    Ich hatte die meisten meiner Ziele auf den Gebieten Bildung, Sport, Sex, Reichtum, Macht, Abenteuer und Ruhm erreicht. Ich habe mein Land als Sportler vertreten. Ich erwarb einen Abschluss am Harvard College und an der Harvard Business School. Ich war für mehr als zwei Jahrzehnte ein wichtiger Kapitalmarktteilnehmer gewesen, hatte einige Hundert Millionen Dollar verdient und war in meinem Berufszweig berühmt-berüchtigt. Ich war ein erbarmungsloser, gebildeter, wenn auch ein wenig psychopathischer Finanzinvestor der Oberschicht, ein akkreditierter Diplomat, der sieben Sprachen beherrscht und eine Überlebensmentalität wie aus einem Hardcore-Getto hat, gepaart mit dem Auftreten eines Jetset-Playboys. Mein Leben war äußerst intensiv und technisch betrachtet erfolgreich. Dabei fühlte ich mich leerer als eine aufgeblasene Sexpuppe.
    Auch wenn ich moralisch völlig bankrott war und auch wenn die Mauer der Frustration nun über mir einstürzte, konnte ich zumindest noch als sympathischer Hallodri durchgehen? Das fragte ich mich, und ich kam nach kurzem Nachdenken zu dem Schluss, dass ich nichts anderes als ein Arschloch war.
    *
    In der Nacht vor meinem Rücktritt hatten Giorgio und ich mehrere Stunden gebraucht, um die 1,2 Millionen Dollar in Schweizer Franken, Euros und Dollar in meiner Unterwäsche, meinen Zeitschriften, Anzugtaschen, in meiner Brieftasche, meinem Aktenkoffer und den Zigarrenkisten zu verstauen. Ich platzte vor Geld buchstäblich aus den Nähten. Ein wenig Taschengeld würde an meinem neuen Aufenthaltsort gelegen kommen. Solange es sich um Scheine über tausend Schweizer Franken oder 500-Euro-Scheine
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