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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd
Autoren: Florian Homm
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Marktkorrektur ihre Stabilität zu garantieren. Ich hatte eine siebenstellige Summe für wohltätige Zwecke gespendet. Kapitalmarktexperten beschrieben mich als eine Mischung aus Mike Tyson und Einstein, Jekyll und Hyde, den Klaus Kinski des Hedgefondsmanagements, einen amoralischen funktionalen Psychopathen, Frank Copperwood und als den Paten von Mallorca. Im Jahr 2006 wurde ACMH im Rahmen des Hedge Fund Review European Awards mit der Auszeichnung »Best Hedge Fund Group« und »Best Fund« geehrt. Treu meinen Prinzipien nahm ich an dieser Festivität nicht teil – nur Warmduscher verschwenden wertvolle Zeit mit Feiern. Unternehmen fürchten mich. Ich hatte sogar die multiple Sklerose besiegt. Ich war ein Wolf unter Schafen.
    Vor meinem Rücktritt waren die Dinge allerdings nicht mehr ganz so gut gelaufen, wie es von außen den Anschein hatte. Im Jahr 2005 musste ich wegen eines Vergehens Bußgelder in Höhe von 40.000 Euro an die deutsche Börsenaufsicht BaFin zahlen und wurde wegen Marktmanipulation zu einer 18-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Im November 2006 wurde ich in Caracas, Venezuela, Opfer eines brutalen Raubüberfalls, den ich nur knapp überlebte. Mein Vater und ich hatten seit 25 Jahren nicht mehr miteinander gesprochen. Ein Jahr zuvor war meine Schwester an multipler Sklerose gestorben. Mein Bruder hatte seit der Scheidung meiner Eltern jeden Kontakt zu mir abgebrochen. Meine Kinder kannten mich nicht. Ich war bei keinem zwölften Geburtstag meiner Kinder anwesend. Die Scheidung von meiner Frau ­Susan, die emotionale Vernachlässigung und unwiderrufliche Zerrüttung geltend machte, wurde Anfang 2007 rechtskräftig.
    Jeder neutrale Beobachter würde sofort mein vollständiges Versagen auf dem Gebiet Freunde und Familie diagnostizieren. Wenn es um meine eigene Person geht, bin ich aber kein neutraler Beobachter. Angesichts meines gestörten familiären Hintergrunds und meiner germanischen Krieger-Gene rangierte eine zufriedene Familie auf meiner Interessenliste offen gesagt ganz unten – wenn überhaupt. Ich halte es da eher mit Charles de Gaulle: »Je besser ich die Menschen kennenlerne, desto mehr stelle ich fest, dass ich Hunde liebe.« Ich besaß vier.
    Trotz der Scheidung hatten Susan und ich unsere Beziehung nicht völlig abgebrochen und versuchten uns zu versöhnen, wobei eines der vielen Probleme darin bestand, dass sie sich wesentlich intensiver bemühte als ich. In dieser Phase hatte ich meine russische Geliebte, eine ehemalige Table-Dancerin, ­Model und Barbesitzerin, in einer historischen Villa in der Innenstadt von Palma einquartiert, die sich einen kurzen Fußmarsch von meinem Büro entfernt befand. Diese Frau war der lebende Beweis dafür, wie tief ich gesunken war. Sie war eine falsche Blondine mit falschen Titten, falschen Fingernägeln und ohne jedes Hirn. Alles, was sie besaß, war ein cleverer instinktiver Sinn dafür, sich selbst an den Höchstbietenden zu verschachern. Wenigstens hatten wir etwas gemeinsam. Sie behandelte das Personal wie Schuldknechte aus dem mittelalterlichen Russland, bemalte ihre Fingernägel mit grellen, schrecklichen Mustern und holte ihre Mutter und ihre fünfjährige Halbschwester ins Haus. Was Alter und Charakter betrifft, hätte ihre Mutter besser zu mir gepasst, aber sie hatte einfach nicht den geschmeidigen und kurvenreichen Körper eines 27-jährigen Unterwäschemodels. Mein Geschmack und meine Psyche waren zu diesem Zeitpunkt reichlich primitiv geworden.
    Ich hatte die Familien getauscht und war einen hirnlosen Pair Trade eingegangen. Ein Pair Trade ist eine Finanztransaktion, bei der ein Investor im selben Sektor eine Long- und eine Short-Position eingeht und erwartet, dass die Long-Position bessere Ergebnisse erzielt als die Short-Position, sodass er einen Gewinn erzielt. Ich war long Miss Table Dance – Moskaus billigste Ware –, ihre Mutter und die fünfjährige Tochter ihrer Mutter, und ich war short Susan Devine – Klasse, Hingabe, wahre Liebe, eine 18-jährige Ehe und meine Kinder. Über meine Einfältigkeit musste ich selber lachen. Dieser Trade war eindeutig ein Verlustbringer. Selbst die fünf Millionen Euro teure Villa war eine Hütte verglichen mit meinem früheren Anwesen. Der Pool war mini und es gab weder einen Tennisplatz noch einen Zoo noch ein 750 Quadratmeter großes Gästehaus oder einen Orangenhain. Der einzige Platz, von dem aus ich den Hafen richtig sehen konnte, war die geräumige, aber heruntergekommene
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