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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9
Autoren: H. J. Alpers
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erkannte mit Schrecken, daß sie auf einen überlegenen Gegner gestoßen war, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Auch sie versuchte gefährlich auszusehen.
    „Dasha“, stellte sie sich vor und machte eine kurze Verbeugung.
    Der Rodao’r nickte leicht. „Bor’r“, brummte er und hoffte insgeheim, daß diese kleine Gegnerin wenigstens über viele geheime Tricks verfügte, so daß ihm der Sieg nicht ganz unverdient in den Schoß fallen würde. Die Ramrai und Rea seines Stammes mochten darüber denken, wie sie wollten – er jedenfalls fand nichts Ehrenvolles darin, eine unterlegene Gegnerin zu töten.
    Sie schien noch sehr jung zu sein, ihr Körper war klein und zierlich, ihre unbeschuhten Füße sahen winzig aus. Das graue Haar floß ihr bis auf die Taille herab, und die Flügel, die von derselben Farbe waren, schienen ganz und gar aus weichen Flaumfedern zu bestehen.
    Er versuchte sich vorzustellen, wie es sein mochte, diese weichen Flügel zu berühren und diesen winzigen Körper mit seinen großen Händen zu umschließen. Die Rodao’r waren etwa dreimal so groß wie die Schalish, aber sie konnten nicht fliegen. Das war der Vorteil, den das Vogelvolk gegenüber der größeren Kraft der Riesen hatte.
    Eine leise Erregung überkam Bor’r, während sie sich auf den Kampf vorbereitete. Das war natürlich, so war es immer.
    Dasha betrachtete ihrerseits seinen riesigen Körper mit Verwunderung. Sie hatte noch nie einem Rodao’r gegenübergestanden. Und wenn sie auch genau wußte, wie sie aussahen – denn aus der Ferne hatte sie sie oft genug beobachtet –, so hatte sie doch keine Ahnung davon gehabt, wie beeindruckend ihre Größe war.
    Der Körper des Riesen war ausgewachsen und voller Muskeln. Seine Arme schienen kräftig und treffsicher im Schlag mit der Keule. Das Gesicht war zerfurcht wie die Borke eines Baumes, und das braune Haar hing ihm zerzaust in den runden Nacken. Wie alle Rodao’r ging er gebeugt, und die Arme waren so lang, daß die Hände fast den Boden berührten.
    „Was für ein gutaussehender Ramrai er ist“, dachte Dasha, während eine seltsame, ihr unbekannte Erregung in ihr aufstieg. Plötzlich fieberte sie danach, den Schlag seiner Keule gegen ihr Schwert zu fühlen. Sie wollte mit den Füßen in das zerfurchte Gesicht treten, die Spitze ihres Dolches in den Tiefen seiner Muskeln vergraben. Sie verstand sich selbst nicht mehr. Irgend etwas hatte sie berührt, etwas Unbekanntes. Sie hatte keine Angst mehr und verabscheute den Kampf nicht länger. Sie wollte nur noch eines: mit diesem Riesen kämpfen.
    Wie im Fieber stürzten die Gegner aufeinander los. Zweifel und Bedenken waren vergessen. Das Mysterium der Mordlust hatte sie in seiner Gewalt. Für Dasha war das neu und unbekannt, und selbst Bor’r vergaß den Gedanken an die Reue, von der er wußte, daß sie unzweifelhaft nach dem Kampf zurückkehren würde, so wie sie immer zurückgekehrt war, nachdem die Erregung des Kampfes ihn verlassen hatte.
    Dasha schwang ihr Schwert wie noch nie. Dieser Baum von einem Rodao’r … jeder Schlag, den sie ihm zufügte, erfüllte sie mit rasender Freude. Er schlug rücksichtslos zu, aber wenn sie getroffen wurde, so stachelte der Schmerz sie nur um so mehr an.
    „Haß, Haß, Haß …“ Etwas anderes konnten sie nicht mehr denken. So war es immer, und so würde es immer sein, die Rodao’r haßten die Schalish, und die Schalish haßten die Rodao’r.
    Er versuchte sie an ihrem langen Haar zu greifen, aber mit ein, zwei geschickten Flügelschlägen enteilte sie ihm, um sofort wieder anzugreifen. Während er ihr Schwert abwehrte, traf ihn ihr Dolch, und wenn er sich von dem Dolch befreite, traf ihn ihr Schwert. Aber auch Dasha wurde oft getroffen. Er kannte nur noch einen Wunsch: Er wollte seine Keule zermalmend und zerstörend auf diesen kleinen, wundervollen Körper niederschmettern lassen, wollte vernichten, was er sah, wollte töten, töten, töten …
    Plötzlich traf seine Keule ihre Hand, das Messer entglitt ihr und flog über den Felsen davon, für immer unerreichbar. Mit schmerzenden Fingern versuchte sie in rasender Wut ihre Axt zu ergreifen, aber die Hand war zu hart getroffen, die Axt entglitt ihr und fiel nieder. Jetzt hatte Dasha nur noch ihr Schwert. Fiebernd schwang sie es und versuchte, ihm ins Gesicht zu schlagen, in dieses Baumstammgesicht, mit Augen so schwarz wie die Finsternis.
    Er frohlockte. Die Gegnerin hatte nur noch eine Waffe – jetzt würde sie bald sterben. Tod, oh,
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