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Spuk im Hotel

Spuk im Hotel

Titel: Spuk im Hotel
Autoren: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
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Rettung in letzter Sekunde
    Justus stand im ersten Stock der alten Villa am Fenster und sah ungeduldig auf seine Uhr. Vom Kirchturm her hatte es gerade zwölf geschlagen, und er wusste, dass der Einbrecher pünktlich um Mitternacht kommen würde. Er starrte nach unten in den Park. Die Nacht war rabenschwarz, so stockdunkel, dass die mannshohe Mauer rund um das Grundstück nicht zu erkennen war. Nur ab und zu, wenn der Mond durch die Wolkendecke brach, erschien die Mauerkrone in einem fahlen Licht.
    Um zwei Minuten nach zwölf glaubte Justus einen schwarzen Schatten zu sehen, der sich über die Mauer schwang. Er hörte sein Herzklopfen und zwang sich zur Ruhe. Schließlich verlief alles nach Plan. Lautlos, mit ein paar riesigen Schritten musste die Gestalt den Park durchquert haben, denn schon im nächsten Moment tauchte sie unten an der schweren Eichentür auf.
    Auf Zehenspitzen schlich Justus von seinem Beobachtungsposten hinaus auf den Gang. Mit angehaltenem Atem lauschte er hinunter. Unten in der Diele hatte er absichtlich eine Stehlampe brennen lassen. Ihr funzliges Licht, so hatte er gehofft, würde den Einbrecher nicht stören, und deshalb ließ er sie vielleicht besser an. Justus’ Rechnung ging auf. Im trüben Widerschein der Lampe sah er dem Einbrecher zu, wie er sich, ohne zu zögern, über Schränke, Truhen und Schubladen in der geräumigen Eingangshalle hermachte. Es war ein spindeldürres Männlein mit Spinnenbeinen. Der Dieb arbeitete vollkommen geräuschlos. Ab und zu steckte er etwas ein. Einmal hielt er inne, legte merkwürdig große Hände an die Ohren und lauschte ins Haus. Im nächsten Augenblick wandte er sich nach oben. Justus erschrak. Seltsamerweise befürchtete er nicht, entdeckt worden zu sein, aber das Gesicht des Diebs hatte keine untere Hälfte. Erst dann begriff Justus, dass es eine schwarze Maske war, die sie verdeckte.
    Der Unbekannte kam die Treppe herauf. Aber er ging nicht, sondern machte gewaltige Sprünge, mit denen er acht Stufen auf einmal zu nehmen schien. Darauf war Justus nicht gefasst gewesen. Er spürte, wie er blass wurde, und wich hinter einen Vorsprung im Flur zurück. Seine rechte Hand umklammerte den Holzknüppel, mit dem er sich für alle Fälle bewaffnet hatte. Nicht mehr als einen halben Meter entfernt, huschte der Einbrecher an ihm vorüber. Deutlich zu erkennen waren die langen blonden Haare, die unter einer Schirmmütze hervorquollen. Lautlos stieß er die Tür zu dem Zimmer auf, in dem Justus bis eben noch gestanden und auf den nächtlichen Besuch gewartet hatte. Der Strahl einer Taschenlampe begann sich gespenstisch durch den Raum zu tasten und blieb mal hier, mal dort hängen. Wieder gingen die Schubladen auf, wie von Geisterhand bewegt. Der Erste Detektiv runzelte ärgerlich die Stirn. Es war doch unmöglich, dass dieser merkwürdige Mensch dabei keinerlei Geräusche verursachte.
    Es wurde Zeit, dem Treiben ein Ende zu machen. Beweise gab es genug. In den Taschen des Mannes würden sie jetzt Diebesgut in Hülle und Fülle finden. Justus ließ den Knüppel zu Boden plumpsen, steckte Zeige- und Mittelfinger beider Hände in den Mund und gab einen markerschütternden Pfiff von sich. Das war das Zeichen für Peter und Bob, die sich in der Küche versteckt hielten.
    Der Lichtschein der Taschenlampe stand still. Justus marschierte durch den Flur und richtete sich in der Tür auf. Kein Laut war zu hören. Langsam, endlos langsam drehte sich der Lichtstrahl zu Justus hinüber. Dabei wurde der Schein immer heller, bis er ihn so mächtig anleuchtete wie die Flutlichtanlage im Stadion von Rocky Beach.
    Der Erste Detektiv räusperte sich. Er hatte einen trockenen Hals, aber überhaupt keine Angst. Drei gegen einen, da konnte eigentlich nichts passieren.
    »Guten Abend, Mister. Oder besser: Guten Morgen. Ihr Spiel ist aus.« Er fand, dass er das sehr schön gesagt hatte. Allerdings wunderte er sich, dass seine Stimme so blechern schepperte. Eine Antwort gab es nicht. Stattdessen kam das Licht immer näher. Justus wich zurück. Er warf einen Blick auf die Treppe, auf der jetzt Peter und Bob nach oben stürmen mussten. Aber von den beiden Freunden war nichts zu sehen.
    »Hihihi«, lachte eine Fistelstimme, und dann: »Huhuhu!« Verzweifelt starrte Justus zur Treppe hinüber.
    »Auf deine Freunde kannst du lange warten«, kicherte die Stimme. »Die liegen brav im Bett.«
    »Das ist eine Lüge!«, rief Justus und zeigte auf die Treppe. Das Licht hatte ihn fast erreicht.
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