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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9
Autoren: H. J. Alpers
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einen Ruck und flatterte die kurze Strecke hinauf bis über die Baumwipfel. Hier oben konnte sie ihre Flügel voll und ganz ausstrecken und sich frei bewegen.
    „Ein wundervolles Wetter, um zu fliegen“, dachte sie. Sie drehte ein paar Runden über dem Wald, um sich einzufliegen, und wandte sich dann endlich dem Osten zu. Die östlichen Berge waren ihr Ziel. Dort würde sie ihren Gegner finden.
     
    Bor’r durchmaß mit wuchtigen Schritten das Gelände. Vögel und kleine Bodentiere flohen erschreckt aus ihren Verstecken, aber Bor’r beachtete sie gar nicht. Er war heute nicht unterwegs, um zu jagen. Sein Fuß stieß gegen einen Stein, der meterweit davonflog, aber er drehte sich nicht einmal um.
    Seine Gedanken waren weit fort. Sie weilten bei seiner Heimstatt, bei den Männern, die sich über ihn lustig machten, und bei Navar, die ihn verlassen hatte, weil sie ihn nicht verstand. Einst hatte sie ihn geliebt, aber im Laufe der Zeit hatte sie immer weniger auf ihn und statt dessen immer häufiger auf die anderen Frauen gehört, die ihn für halb verrückt hielten und ihn „den Frager“ nannten. Und schließlich hatte sie es nicht länger ausgehalten, die Gefährtin eines Ramrai zu sein, über den der ganze Stamm lachte. Sie war gegangen. Tränen hatten dabei in ihren Augen geglitzert, aber sie war gegangen. So waren sie alle, die Rea – am Ende war ihnen ihr Ansehen im Stamm doch wichtiger als ihre Liebe.
    Bor’r knurrte wütend vor sich hin. Sie konnten ihm nicht nachsagen, daß er ein Feigling war, o nein, das konnten sie nicht. Er hatte schon viele Kämpfe überlebt und schon viele Schalish getötet, aber er hatte es nie gern getan. Sie hatten recht, er war ein Denker, und er stellte Fragen – aber mußte er deshalb denn verrückt sein?
    Er hatte einen Bergkamm erreicht und blieb stehen. Eine Weile starrte Bor’r auf die weite Landschaft hinaus, die sich ihm darbot, ohne sie wirklich wahrzunehmen, aber plötzlich bemerkte er etwas Kleines, Graues unter sich. Er runzelte die Stirn und sah genauer hin. Es war eine Schalish, weiblich, soviel er sehen konnte. Sie befand sich ein gutes Stück unterhalb des Hanges, auf dem er stand. Sie schien noch jung zu sein, offenbar zum ersten Mal in den Bergen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Die Schalish und die Rodao’r lebten in streng voneinander getrennten Teilen des Landes. Sie verließen ihre Gebiete nur, um zu kämpfen. Diese Schalish war also in das Land der Rodao’r gekommen, um ihre Kräfte mit einem der Bewohner zu messen.
    Ärgerlich verzog er das Gesicht. Warum mußte gerade er ihr über den Weg laufen? Er haßte den Kampf und das Töten. Und diese kleine Schalish war offenbar nicht gerade sehr erfahren im Streit.
    Einer plötzlichen Eingebung folgend, machte er ein paar Schritte zurück. Sie hatte ihn noch nicht einmal bemerkt, und wenn sie ihn nicht sah, brauchte er sie auch nicht zu töten. Er biß die Zähne zusammen – wenn ihn jetzt einer der Männer des Stammes gesehen hätte, ja, dann hätten sie wahrlich Grund, ihn einen Feigling zu nennen. Aber er war hierhergekommen, um in der Einsamkeit nachzudenken, denn hier gab es außer ihm keine Männer, die ihn sehen konnten. Es gab allerdings eine Schalish, und diese hatte ihn gehört, als er versuchte, sich unauffällig zurückzuziehen.
    Dasha wirbelte herum, als sie ein Geräusch wahrnahm und erblickte für einen kurzen Augenblick den Zipfel eines braunen Gewandes. Es mußte ein Rodao’r dort oben auf dem Felsen sein. Sie verspürte keine große Lust, dem nachzuforschen, aber andererseits war dies wohl die vernünftigste Handlungsweise. Sie wollte nicht gern kämpfen, weil sie das Töten verabscheute und weil sie, wie sie sich allmählich eingestand, schreckliche Angst hatte, aber irgendwann mußte sie sich ja doch stellen. Sie konnte noch viele Tage hier im Land der Rodao’r verbringen, wenn sie jedem Gegner auswich, aber einmal mußte sie es ja doch hinter sich bringen – warum also nicht gleich jetzt.
    Sie seufzte leise und breitete ihre Schwingen aus. Mühelos flog sie hinauf zu der Höhe, auf der sie den Rodao’r vermutete, hielt aber sicheren Abstand.
    Bor’r sah die Schalish über dem Felsen aufsteigen und seufzte ebenfalls, nicht wissend, daß seine Gegnerin mit der gleichen Unlust in den Kampf ging wie er. Er machte noch ein paar Schritte zurück, so daß sie in sicherer Entfernung auf dem Felsen landen konnte, und setzte dabei eine grimmige, dem Kampf angemessene Miene auf. Dasha
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