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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8
Autoren: H. J. Alpers
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Im gelben Dotter schwebt ein böser kleiner Teufel, Hörner, Hufe, Schwanz. Seine verschwommenen Züge erinnern an die von Henry Ford oder Onkel Sam. Wenn Betrachter sich von einem Bein aufs andere bewegen, dann tauchen die Züge weiterer Persönlichkeiten auf: Prominente der Entwicklung zur modernen Gesellschaft.
    Vor dem Fenster drängen sich wilde Tiere, die zum Anbeten gekommen sind, doch nun schreien sie wortlos und entsetzt hinter der Scheibe. Die Tiere im Vordergrund gehören allen Arten an, die von den Menschen ausgerottet wurden oder nur noch in Zoos und Naturschutzgebieten überleben konnten. Die Dronte, der Blauwal, die Wandertaube, der Quagga, der Gorilla, der Orang-Utan, der Polarbär, der Puma, der Löwe, der Tiger, der Grizzlybär, der kalifornische Kondor, Känguruh, Wombat, Rhinozeros, Adler.
    Im Hintergrund haben sich auf einem Hügel tasmanische Ureinwohner und haitische Indianer eingefunden.
    „Wie lautet Ihre Meinung zu diesem bemerkenswerten Bild, Doktor Luscus?“ fragt ein Fidointerviewer.
    Luscus lächelt und sagt: „Ich werde Ihnen in wenigen Minuten ein fachgerechtes Urteil abgeben können. Vielleicht sollten Sie sich zuerst mit Doktor Ruskinson unterhalten. Er ‚scheint sich bereits eine Meinung gebildet zu haben. Sie wissen ja, Kinder und Narren …“
    Ruskinsons rotes Gesicht und seine Schreie werden über Fido übertragen.
    „Die Scheiße geht um die ganze Welt“, sagt Chib laut.
    „BELEIDIGUNG! RAMSCH! PLASTIKMIST! EIN SCHLAG INS ANGESICHT DER KUNST UND EIN TRITT IN DEN UNTERLEIB DER MENSCHHEIT! BELEIDIGUNG! BELEIDIGUNG!“
    „Warum ist es denn so eine Beleidigung, Dr. Ruskinson? Weil es sowohl den christlichen wie auch den panamoritischen Glauben verspottet?“ fragt der Fidointerviewer. „Ich habe diesen Eindruck nicht. Mir scheint, daß Winnegan versucht, die Menschheit vor einem pervertierten Christentum zu retten, vielleicht vor allen Religionen und Idealen, die nur auf der Gier der Selbstbereicherung aufgebaut sind. Er will sagen, daß der Mensch im Grunde genommen ein Killer und Perverser ist. Selbstverständlich sehe nur ich das darin, aber ich bin schließlich nur ein biederer Angestellter und …“
    „Überlassen Sie die Beurteilung den Kritikern, junger Mann!“ schnappt Ruskinson. „Haben Sie etwa einen zweifachen Doktortitel, einen in Psychiatrie und einen in Kunstgeschichte? Wurden Sie von der Regierung mittels Zertifikat als Kritiker zugelassen?
    Winnegan, der überhaupt kein Talent hat, geschweige denn das Genie, das ihm gewisse dickschädelige Tunten bescheinigen, dieser Auswurf von Beverly Hills, stellt hier seinen Schrott aus – einen wertlosen Mischmasch, der einzig und allein wegen einer neuen Technik Aufsehen erregt hat, die jeder Elektronikspezialist hätte erfinden können. Ich bin betroffen darüber, daß eine so billige Neuheit, ein Taschenspielertrick, nicht nur weite Kreise der Öffentlichkeit, sondern auch so gutausgebildete und anerkannte Kritiker wie Dr. Luscus hier narren kann … obwohl es natürlich immer wieder Künstleresel geben wird, die so lauthals, pompös und verschwommen plärren, daß …“
    „Ist es denn nicht so“, unterbricht ihn der Fidomann, „daß viele Maler, die wir heute zu den größten rechnen, beispielsweise Van Gogh, von ihren zeitgenössischen Kritikern verurteilt oder völlig mißachtet worden sind? Und …“
    Der Fidomann, der darauf spezialisiert ist, um seiner Zuschauer willen Zorn zu erzeugen, verstummt. Ruskinson bläht sich auf, sein Kopf erinnert an ein kurz vor dem Aufplatzen stehendes Blutgefäß.
    „Ich bin kein biederer Angestellter!“ schreit er. „Und ich kann nichts dafür, daß es auch schon in der Vergangenheit solche Luscusse gegeben hat! Ich weiß, wovon ich spreche! Winnegan ist nur ein Mikrometeorit am Himmel der Kunst, der es eigentlich nicht wert ist, den Großen der Malerei auch nur die Schuhe zu polieren. Sein Ruf wurde von einer gewissen Clique künstlich aufgebläht, so daß er nun in reflektiertem Glanz erstrahlt, die Hyäne, die die Hand beißt, welche sie füttert, kleine Hunde …“
    „Bringen Sie Ihre Metaphern nun nicht ein wenig durcheinander?“ fragt der Fidomann.
    Luscus nimmt Chib sanft bei der Hand und zieht ihn beiseite, wo sie außerhalb der Reichweite der Fidokameras sind.
    „Liebling, Chib“, flötet er, „nun ist die Zeit gekommen, dich zu artikulieren. Du weißt, wie sehr ich dich liebe, nicht nur als Künstler, sondern um deiner selbst willen. Es muß dir
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