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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6
Autoren: H. J. Alpers
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bezahlte, rechtschaffen.
    „Eine Schlampe“, sagte Max. Und ihr habt ihm zugestimmt. Max nahm eure Ermunterung auf und zog euch höher. „Ein Ungeheuer“, sagte Max, „ein Wohlfahrtsparasit.“ Sein Gesicht wurde rot, so daß ich sein chromatisches Gewicht zweimal in zehn Sekunden verändern mußte.
    Durch die Schwebelinsen saht ihr, wie die Bullen ihre Neuropeitschen schwangen. Ihr habt Max gefühlt, wie er langsam, erstickt atmete, und ihr fuhrt die Röhre, als würdet ihr auf dem Buckel eines sich aufbäumenden Synthopferds sitzen. Zwei und dreiviertel Topzeitminuten lang war ich zittrig. Ich kämpfte, während der von Max angeheizte Krawall anschwoll. Und als die Nielsen-Zahlen hochschäumten und als Morrie Bloom seinen Stolz, seine Freude über das Interphon durchsummte, sah ich, wie sich Max außer Kontrolle lallte.
    Alicia war aufgestanden, ihre Hand lag auf meinem Arm; Max’ ungeschminktes Gesicht wurde schlaff. Ich sagte: „Morrie, leck mich am Arsch, hier hört die Reiße auf!“ Und ich schaltete das Gefühlsfeld auf Null und wischte Max Todd von den NatSat-Nachrichten weg.
    Hinter Manhattan ging eine verquollene Sonne unter und färbte den zertrampelten Schnee in Moses Park blutig. NatSat-Nachrichten übertrugen die Szene mit Merilee Dorn in der Zugeisenkabine. Wandgroß und körnig wurde die Nachrichtensendung am Bildschirm des Büros abgespielt. Max saß dort, die Hände zwischen den Knien herabhängend. Seine Augen waren halb geschlossen und schläfrig.
    Morrie Bloom fauchte mich an: „Du hattest kein Recht dazu, keinerlei Befugnis! Du hattest keine Genehmigung, ihn mitten in einer Sendung auszuwischen!“ Wie ein fetter Leopard stampfte er hin und her. „Die Ablösesumme ist auf dein Konto überwiesen worden. Je eher du gehst, um so mehr gefällst du mir. Ab zum Ausgang, Sid!“
    Ich riß mich zusammen und sah vermutlich aus wie ein Clown, eins-vierundsechzig groß, mit beginnender Glatze und fett.
    „Ich werde dir nicht erzählen, daß Max und ich ein Paket bilden“, sagte ich. „Du hast den Kontrakt selbst. Du weißt es. Ich werde dir nicht erzählen, daß Max ohne mich nicht arbeiten wird. Ich weiß nicht, ob das noch stimmt. Aber nimm deine Augen mal lange genug von den Nielsen-Charts, um zu sehen, daß mit Max irgend etwas nicht stimmt. Wenn es mir nichts ausmachte, dann würde ich dein Geld nehmen und gehen. Morrie, du bist ein Ignorant und ein Würstchen. Heute abend habe ich den Beweis dafür bekommen, daß ich vor dir noch viel mehr Angst haben muß als vor Max. Was ich also tun werde, das ist, mich auf den Vertrag zu berufen und dich zu seiner Einhaltung zu zwingen.
    Ich übernehme die Verantwortung für das, was er war, und für das, was aus ihm geworden ist. Weil ich diese Verantwortung übernehme, werde ich auch nicht gehen. Aber ich gebe dir hiermit ab sofort diese Verantwortung weiter.“
    Bloom war auf hundertachtzig und versengte mir mit der Zigarre, die er mir ins Gesicht stach, beinahe die Nase. „Wenn du glaubst, daß du noch mal in diesen Machersessel zurückkehrst, dann denk noch mal gut nach, Sid. Wenn wir dich bezahlen müssen, dann bezahlen wir dich eben. Aber du rührst nichts mehr an. Wir haben eine ganze Meute junger Heißhosenmacher, die darauf warten, deinen Platz zu übernehmen. Vielleicht verwenden wir dich als Macher bei der HardCore Sat Net Inc.“
    Max fing mich unten im Foyer ab, unter dem silbernen CBA-Drehglobus, auf dem die Krisengebiete leuchteten, von denen die Stets-am-Geld-Linsen der CBA euch das Übelste und Häßlichste brachten.
    „Sid“, lachte er mit seiner Klink-nicht-aus-Stimme. „Mach keinen Quatsch, komm zurück. Es sind gute Leute. Es sind Leute, die immer am Ziel bleiben.“
    „Laber mir keinen vor, Max“, sagte ich.
    Eine Sekunde lang fiel die Maske ab. Sein Schmerz berührte mich. Sein Gesicht war nackt, ungeschminkt und arglos, und er sagte mit einer Stimme, die ich seit den schönen ersten Zeiten von Iowa nicht mehr an ihm gehört hatte, mit einer Stimme, von der ich bis heute schwören möchte, daß sie nicht die einer TV-Persönlichkeit war: „Sid“, sagte er, „beim Naz, ich schaffe es nicht allein! Sie haben mich bei der Gurgel.“
    Wegen dieser Stimme, wegen dieser Entschuldigung habe ich ihn getötet. Ich tötete ihn, um ihn zu befreien. Sein Kopf hing herab, seine Lippen öffneten sich, und die Stundenglocke ertönte und sagte das Ende der Abendnachrichten an. Mit diesem Glockenklang starb der zarte, arglose Funken
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