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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6
Autoren: H. J. Alpers
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einst geheiratet hatte, zu einer fetten Rubens-Gestalt geworden war, sowie ihre Stimme, die die Enttäuschung und der Streß des besessenen Diätlebens schrill gemacht hatten.
    „Kein Wunder, daß sich nichts verkauft. Die ganze Zeit malst du immer wieder die gleichen Sachen. Du brauchst neue Visionen.“
    Als ob man Visionen im Versandhaus bestellen könnte, dachte er verbittert. Na ja, zur Hölle mit ihr. Zur Hölle mit allen anderen.
    Dann, als er nach unten blickte, sah er den Trilobiten. Neil war kein Paläontologe, aber er hatte noch genug Biologiewissen aus der High School und dem College parat, um die Form unter den Muschelschalen und Sanddollars zu erkennen. Er bückte sich, um ihn aufzuheben. Er war mittelgroß, etwa sechs Zoll lang. Wie war er hierhergekommen? Normalerweise wurden Trilobiten nicht aus dem Paläozoikum direkt an die Strände des zwanzigsten Jahrhunderts gespült. Außerdem war er völlig erhalten. Er sah so frisch aus wie der Sanddollar neben ihm, ganz und gar nicht wie ein Fossil.
    Er steckte die Schale in seine Hemdtasche und ging weiter den Strand entlang; er fühlte sich wie der letzte Mensch auf Erden. Es war leicht, sich vorzustellen, daß nichts außer dem, was er gerade sah, existierte, daß das Universum nur aus einer nebligen Bucht und aus Brandung bestand, die über Sand hinwegzischte. Er genoß das Gefühl.
    Als er die Stimmen vor sich hörte, wurde seine Zufriedenheit mit einem bitteren Stich zerstört. Also war er doch nicht allein. Verdammt. Gab es auf der ganzen Welt keinen einzigen Ort, der nicht von Menschen verseucht war?
    Einen Augenblick später erschienen die Störenfriede aus dem Nebel. Es waren drei, alles Kinder, schlank und geschlechtslos, die fast nackt im Sand spielten. Neil wurde zwischen seiner Wut und einem Schwall von Freude hin und her gerissen. In dem leuchtenden blauen Zwielicht sahen sie aus wie Illustrationen von Maxfield Parrish.
    Er rief sie.
    Sie hielten damit inne, ihr raffiniertes Muster aus Muschelschalen in den Sand zu legen, und blickten sich um. Zwei von ihnen waren blond, eins mit kurzen Locken, das andere Mädchen hatte Haare, die fast bis zum Gesäß hinunterhingen. Beider Augen waren so blau wie das Zwielicht. Das dritte Kind hatte langes, bis zur Hüfte reichendes Haar und dunkle Augen mit durchdringendem Blick. Sie starrten ihn an. Das dunkelhaarige Kind gab dem blonden mit den langen Haaren einen leisen Rippenstoß und flüsterte etwas. Das blonde Kind lachte.
    Neil fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Das Lachen war tief und kehlig, überhaupt nicht das Lachen eines Kindes.
    Das Dunkle sagte etwas, das wie „Grß“ klang.
    Sie umringten ihn und betrachteten ihn mit neugierigen Blicken. Er starrte zurück. Er hatte sich geirrt, es waren gar keine Kinder, obwohl sie noch recht jung waren, kaum der Kindheit entwachsen. Sie waren so groß wie er und schlank wie Weiden, mit straffer und glatter Haut. Klare, lebhafte Augen blickten ihn aus faltenlosen Gesichtern an, und erschreckt stellte er fest, daß sie völlig nackt waren. Was er für Badeanzüge gehalten hatte, erwies sich als Muster, die auf ihre Haut gemalt worden waren.
    Das Mädchen mit den kurzen Locken sprach. Neil konnte kein Wort verstehen. Das Mädchen runzelte die Stirn und kratzte gedankenverloren an der Muschel, die auf ihre Brustwarze gemalt war. Sie sprach mit ihren Begleiterinnen.
    Die Dunkle sagte etwas, mit großer Geschwindigkeit, dann stellte sie sich vor Neil auf und redete mit lauter, langsamer Stimme auf ihn ein.
    Er fragte sich verwundert, wie es ihm helfen sollte, sie zu verstehen, wenn sie ihn behandelten wie einen Tauben oder geistig Zurückgebliebenen, doch zu seinem Erstaunen nützte es tatsächlich etwas. Was sie sagte, klang in seinen Ohren verstümmelt und mit starkem Akzent versehen, doch etwas in seinem Inneren erriet genügend Worte, um ihren Sinn zu verstehen. Sie fragte, wer er sei.
    Er antwortete: „Neil Dorn.“
    Sie lächelte triumphierend und zeigte auf sich selbst: „Electra.“ Dann wies sie auf das langhaarige blonde Mädchen: „Ivrian“ und zeigte schließlich auf das Mädchen mit dem Lockenkopf: „Hero. Von wann kommst du?“
    Jedenfalls klang es so. Neil war sich sicher, daß sie das nicht meinen konnte. Entweder wollte sie wissen, woher er kam oder wann er hier angekommen war. Da er nicht wußte, was sie meinte, schüttelte er den Kopf. „Ich verstehe nicht.“ Er beschloß, selbst eine Frage zu stellen. „Macht ihr hier Urlaub
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