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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6
Autoren: H. J. Alpers
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in ihm, und die Maske kehrte zurück.

 
6
     
    Tagelang habe ich Max überhaupt nicht gefahren. Ich beschäftigte mich mit dem HardCore-Netz, das ich nur mit einem Sprung in den Schleim vergleichen kann. Ich hielt mir den Kopf zu und behielt die Augen an die Tafel geheftet, die das Feedback des Gefühlsfelds wiedergab, Feedback von Fahrern, deren Seelen ich nicht hätte haben mögen, und wäre ich der Hinkefuß persönlich gewesen.
    Fahrt ihr das HardCore-Sat-Netz? Es ist ein Hafen für alle, die so kaputt und tot sind, daß sie die Krawalle und die Verstümmelungsszenen überhaupt nicht mehr anklinken können. Wenn ihr es fahrt, dann hasse ich euch. Ich habe es eine Woche durchgehalten. Eine Snuff-Szene gab mir den Rest, da habe ich das Handtuch geschmissen.
    Morrie Bloom richtete seine Zigarre auf mich und sagte: „Nimm dir ein paar Tage frei. Vielleicht kommst du drauf, daß die Abendnachrichten doch nicht so schlimm sind, wie? Ich kann dir ehrlich sagen, daß der Stümper, den wir gerade als Macher für Max haben, jede Minute verschwinden kann. Keinerlei Feingefühl. Keine Finesse. Wir könnten dein Händchen gebrauchen, Sid.“
    „Ihr könntet die Quoten gebrauchen, Morrie. Seit ich weg bin, seid ihr vier Komma zwei Punkte runter.“
    Es war der Fuseltreibstoff krieg. Während ich euch Pornos gefüttert habe, hatte er sich aufgeheizt. Fuseltreibstoff wurde aus Zuckerrohr gegoren, um das Öl zu ersetzen, das am Tag, als das zwanzigste Jahrhundert endete, so gut wie verqualmt war, bis auf diese Ölquellen im Persischen Golf, in denen die atomare Hitze unseren Ölbedarf wohl noch lange überdauern wird. Wir haben diese Quelle mit Atombomben bepflastert und sie verloren, und nachdem wir daraus auch nichts gelernt haben, haben wir angefangen, um die Länder zu kämpfen, in denen Zuckerrohr am besten gedeiht.
    Ich ging nach Hause, nach Ottumwa, im hügeligen Süden von Zentraliowa. Der Gefühlsfeldempfänger an meinem Gerät hatte einen Dämpfer, den ich hatte einbauen lassen, um die Nachrichten auch sehen zu können, ohne sie zu fahren, so daß ich sie beurteilen konnte, ohne von der gefilterten und verstärkten Beurteilung einer Milliarde anderer Fahrer beeinflußt zu werden. Zum ersten Mal, seit ich ihn damals in Arnes auf Sendung gesehen hatte (mein Gott, war das tatsächlich schon sieben Jahre her?), sah ich mir Max objektiv an.
    Ich sah zu, wie Max von dem Krieg berichtete, wie die Schmerzbomben hineinqualmten und die feinen Smaragdlaser ein Gitternetz auf die Ebene legten, wo Soldaten per Satellitenfernsteuerung töteten. Ich sah zu, ohne mich einzuklinken, während Max mich mit einer Malaientruppe auf einen Patrouillengang durch einen Zuckerrohrwald mitnahm. Ich sah zu, wie ein Schwärm Fliegerpfeile einen Mann zerfetzte. Ich sah zu, wie eine Schallkanone ein Dorf taub machte und den Dorfbewohnern das Fleisch von den Knochen schüttelte. Ich sah zu. Ich ließ das Gefühlsfeld abgeschaltet und wunderte mich, daß ich, wie Terry Norge, nichts empfand angesichts dieser entsetzlichen Tode.
    Dann klinkte ich das Gefühlsfeld ein und fuhr es wie ihr, ohne Stopper im Gehirn, mein Bewußtsein ein Abguß für all die Wut und den Schmerz aus der Röhre.
    „Willkommen, Amerika“, fühlte ich ihn sagen, „ich bin Maxwell Todd. Wenn ihr heute fahrt, dann fahrt ihr im Sturm. Wir werden uns die Steppenfeuer anschauen, die jetzt überall aufflammen, und dabeisein, wie die ÄQUAT-Nationen eine nach der anderen abbrennen. Werden sie mit dem Fuseltreibstoff machen, was sie auch mit dem Öl gemacht haben?“
    Die Energie des Gefühlsfelds pumpte mich hoch. Ich wurde von einem üblen Haß durchflutet, der wenig mit dem zu tun hatte, was Max Todd sagte. Wenn ihr in diesem Augenblick vor mich getreten wärt, ich hätte euch das Gehirn aus dem Kopf gepustet. Ich hätte nicht gedacht, ich hätte einfach nur gehandelt!
    Fahrt die Röhre! Fahrt sie wie geschmiert. Fahrt sie nacktärschig. Fahrt sie heiß. Fahrt die Schande, das Mitleid, die Lust, die Freude.
    Fahrt die Furcht.
    Vertraut uns. Wir sagen euch Bescheid, wenn ihr genug habt.

 
7
     
    Ihr hattet nie genug. Jeden Abend wurde der Krieg schlimmer, immer zur Topzeit. Jeden Abend fuhr ich mit Max. Ich entdämpfte das Gefühlsfeld und nahm den vollen Schub auf. Max, der Videomäck; Max, der Anmacher; Max, der Crack der TV-Röhre, der Einfahrer. Die Quote war unglaublich. Ich sah die Charts im Programm der Finance Sat Net Inc. Max’ Zugkraft, Werbeaufträge zu ziehen,
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