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Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Titel: Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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morgen früh sehe ich mich nach einer Stelle um. Im Augenblick habe ich keinen anderen Wunsch, als noch ein Stündchen hier zu sitzen und dann bis zum Morgen auszuruhen.“
    Dora Gibbon erhob sich hastig und legte einen Geldschein auf den Tisch. „Ich bin in einer halben Stunde zurück“, versprach sie flüsternd. „Ich will nur rasch das Haus am Ruskin Wall besuchen. Mach dir keine Sorgen um mich.“
    Drei Sekunden später stand sie draußen auf der Straße. Obwohl sich ihr ein heftiger Wind entgegenstemmte, ging sie unbeirrt ihren Weg. Sie kannte hier jede Straße, jeden Platz. Schon nach fünf Minuten hatte sie den düsteren Ruskin Wall erreicht. Er lag eingezwängt zwischen den Docks und Schiffsschleusen von Blackwall. Ein paar betrunkene Matrosen strichen an ihr vorüber. Sie kümmerte sich nicht um die lärmenden Burschen. Sie hatte nur ein Ziel im Auge. Mit raschen, ungeduldigen Schritten ging sie auf ein Haus zu, das mit einer schwarzen Fassade alle anderen überragte. Der Eingang war von zwei blauen Lampen erhellt; in einigen Fenstern brannte helles Licht. Über dem Eingangsportal flammten violette Neonröhren. „Orchideen-Klub“ stand da zu lesen.
    „Orchideen-Klub murmelte Dora Gibbon mit bitterem Lächeln. „Mit diesem hochtrabenden Wort hat man mich damals eingefangen. Heute weiß ich genau, was es mit diesem Klub auf sich hat.“
    Vier, fünf Sekunden lang zögerte sie unschlüssig. Dann nahm sie sich ein Herz und stieg die wenigen Stufen zum Portal empor. Sie öffnete die schwere Tür und trat in den eleganten Vorraum ein. Scheu blickte sie sich um. Es hatte sich nicht das Geringste verändert in den acht Tagen, die sie weg gewesen war. Der livrierte Klubportier stand wie ein Zerberus neben der Empfangsloge. Er kam sofort auf sie zu.
    „Wo haben Sie Ihren Ausweis?“ schnarrte er unhöflich.
    Dora Gibbon kramte in ihrer Handtasche herum. „Hier ist er“, sagte sie kurz. „Ich habe ihn gut aufgehoben. Vielleicht wird sich die Polizei eines Tages dafür interessieren.“
    Der Klubportier würdigte sie kaum eines Blickes.
    „Der Ausweis wird eingezogen“, murmelte er mit leiernder Stimme. „Wie wir erfuhren, hat man Sie in die Erziehungsanstalt Trontham eingeliefert. Es ist ganz klar, daß eine solche Dame nicht länger im Orchideen- Klub geduldet werden kann.“
    Ein paar Herzschläge lang starrte ihn Dora Gibbon ungläubig an. Dann brach sie in ein schrilles Lachen aus.
    „Warum bin ich denn nach Trontham gekommen?“ rief sie schneidend. „Doch nur, weil ich in diesem Klub an fremde Männer verschachert wurde. Rufen Sie sofort Mr. Fingal herbei. Er hat mich damals in diesen Klub gebracht. Er ist an allem schuld. Ich möchte ihm gern meine Rechnung präsentieren.“
    „Verlassen Sie sofort dieses Haus“, sagte der Portier eisig. „Ich müßte sonst die Polizei rufen.“
    „Die Polizei?“ höhnte Dora Gibbon schrill. Das müssen Sie mir erst vormachen. Bitte tun Sie es doch. Ich werde dann auch einiges zu erzählen haben. Die Cops werden Augen machen, wenn ich auspacke. Man wird diesen feudalen Klub dann noch heute nacht hochgehen lassen, so wahr ich hier stehe.“
    Sie verstummte. Ihre Augen wanderten die Marmortreppe empor. Sie entdeckte, daß sich eine Tür geöffnet hatte. Zwei Männer wollten auf die Ballustrade heraustreten, aber als sie den erregten Wortwechsel in der Empfangshalle hörten, zogen sie sich rasch Zurück.
    „Das war doch Mr. Fingal, wie?“ rief Dora Gibbon erregt. „Warum kommt er nicht? Warum wagt er mir nicht ins Gesicht zu sehen? Es ist das schlechte Gewissen, nicht wahr? Er weiß selbst, wohin sein schmutziger Weg führt.“
    Ihre Worte waren völlig sinnlos. Sie kam damit keinen Schritt weiter. Wäre sie ein Mann gewesen, so hätte sie vielleicht mit brutaler Gewalt einiges erreichen können. Aber so nahm man sie nicht einmal ernst. Ihre Drohungen verpufften wirkungslos.
    Noch ehe sie einen neuen Entschluß fassen konnte, wurde sie an beiden Armen ergriffen und zum Portal gezerrt. Zwei kräftige Männerfäuste beförderten isie ins Freie. Taumelnd stolperte sie die Treppe hinunter. Sie hörte noch, daß die Tür hinter ihr abgeschlossen wurde. Dann war der beschämende Zwischenfall vorüber.
    Mutlos starrte Dora Gibbon auf das vornehme Portal. Was nun, dachte sie verbittert. Ich habe keinen Trumpf mehr in den Händen. Wenn ich zur Polizei gehe, wird man mich wieder nach Trontham schicken. Wenn ich nicht gehe, können diese Teufel ihr schändliches
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