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Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet

Titel: Kommissar Morry - Der Henker kam zu spaet
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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auf ihn aufmerksam, denn ich hegte im Anfang auch einen Verdacht gegen Sie, Raymond, und habe Sie deshalb überwachen lassen. Doch sehr schnell kam ich auf die richtige Fährte. Als ich die typische Reaktion der Vortäuschung eines Mordversuches an sich selbst sah, weil er sich von Ihnen durchschaut glaubte, stand für mich fest, daß Cantrell der Mörder war. Leider konnte ich die Morde an Guy Hamper und Edward Fann nicht verhindern, erst heute bot sich endlich die Möglichkeit des Zugriffs, doch das Ende einer teuflischen Karriere haben Sie eben selbst erlebt. Er wird die Freiheit nicht mehr Wiedersehen und mit seinem Leben dafür büßen, daß er aus Gewinnsucht Spionage betrieb und zum Erreichen seiner Ziele vor keinem Mord zurückschreckte.“
    Allan Raymond schüttelte sich vor Grauen. Er griff hastig nach einem Glas, um den Ekel herunterzuspülen. Sekundenlang saß er dann schweigsam da und blickte nachdenklich vor sich hin. Eine neue Sorge meldete sich in ihm.
    „Was wird mit Miriam Davis geschehen?“ fragte er stockend. „Haben Sie die Absicht, sie wieder nach Trontham einweisen zu lassen?“
    Kommissar Morry hob lächelnd die Schultern. „Es gäbe einen Ausweg für das Mädchen“, meinte er gedehnt. „Ehefrauen werden im allgemeinen nicht in ein Erziehungsheim gesteckt. Wenn sie also jemand fände, der sich ein Leben lang ihrer annehmen würde . . .?“
    „Ich“, sagte Allan Raymond hastig. „Ich werde das tun, Sir! Ich könnte mir keine schönere Aufgabe vorstellen. Ich werde sie noch in diesem Monat heiraten.“
    „Trotz ihrer Vergangenheit?“ fragte Morry forschend. „Was hat das schon zu besagen“, meinte Allan Raymond glücklich. „Sie war damals ein unerfahrenes Mädchen. Sie wußte ja gar nicht, was sie tat. Ich glaube, das läßt sich leicht verzeihen.“
    „Na, dann viel Glück“, sagte Kommissar Morry heiter. „Ich würde an Ihrer Stelle genauso handeln. Sie werden eine Frau bekommen, die Ihnen ein ganzes Leben lang dankbar sein wird.“
    Er erhob sich und griff nach seinem Hut.
    „Bleiben Sie doch noch ein paar Minuten, Sir“, bat Allan Raymond. „Ich werde Miriam wecken. Sie sollen Zeuge unserer Verlobung sein.“
    „Habe leider keine Zeit mehr“, versetzte Morry rasch. „Ich muß noch im Orchideen-Klub etwas aufräumen und auch bei Luke Macholl nach dem Rechten sehen. Überdies bin ich der Ansicht, daß Sie mich jetzt nicht mehr brauchen.“
    Er trat hinaus in die regnerische Nacht und zündete sich in der Haustür wieder eine Zigarette an. Als er an den Fenstern des Wohnzimmers vorüber schritt, sah er, daß sie hell erleuchtet waren. Er hörte eine zärtliche Stimme und dann ein helles, glückliches Lachen. Na also, sagte er still bei sich. Ich glaube, um dieses Mädchen braucht sich der Yard nicht mehr zu kümmern.

    *

    Für den 9. September des gleichen Jahres war die Hinrichtung Philip Cantrells angesetzt. Schon in aller Frühe traf der Henker mit seinen Gehilfen im Zuchthaus Pentonville ein. Der Galgen stand bereit. Ein paar qualmende Lampen standen links und rechts vom Schafott. Ihr matter Schein fiel unheimlich auf das Blutgerüst. Der Gefängnisdirektor wartete schon in der Halle. „Kommen Sie mit“, sagte er leise zu dem Scharfrichter. „Der Delinquent erwartet Sie bereits. Er verbrachte die Nacht ruhig und zuversichtlich. Ich glaube, er nimmt sein Ende ziemlich leicht.“
    Auf dem oberen Zellenflur gesellte sich der Schließer zu ihnen. Zu dritt gingen sie auf die eiserne Tür der Todeszelle zu. Ein Schlüssel drehte sich knarrend im Schloß. Die Tür öffnete sich. Die drei Männer traten ein. Was sie sahen, ließ ihnen das Blut in den Adern stocken. Philip Cantrell hing an einer gelben Seidenschnur unter dem Fenster. Er war tot. In seinem verfallenen Gesicht war kein Leben mehr.
    „Ich bin zu spät gekommen“, murmelte der Henker. „Dieser Mann braucht keinen irdischen Richter mehr. Er hat selbst den Schlußstrich gezogen.“
    „Wie konnte das geschehen?“ rief der Gefängnisdirektor empört. „Wurde er denn nicht durchsucht? Wie kam er zu dieser Schlinge?“
    Der Schließer zuckte verstört mit den Achseln. „Wir haben ihn jeden Tag von neuem durchsucht“, murmelte er. „Seine Zelle wurde zweimal am Tag kontrolliert. Niemals fanden wir eine Spur von dieser Schlinge. Es ist mir unerklärlich, Sir, woher er diese gelbe Seidenschnur hatte.“
    „Ich glaube, dieser Mann stand doch mit dem Teufel im Bunde“, sagte der Scharfrichter leise.

    ENDE
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