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Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman
Autoren: Deborah Reed
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fragt Annie. »Der Sturm führt vielleicht zu Stromausfall.«
    »Alles wird gut«, sagt Mrs Lanie.
    »Ja«, erwidert Annie. »Ganz sicher.«
    In der Scheune hievt Annie die Holzkisten auf die Ladefläche, fährt vorsichtig zum Hain und parkt zwischen den Bäumen, dabei versucht sie, in das nasse Gras und lockere Erdreich nicht allzu tiefe Spuren zu graben.
    Mit einer Stalllaterne springt sie aus dem Führerhaus und sucht mit ihren Noppensohlen auf der gerippten Ladefläche des Pickups Halt. Die Laterne erinnert sie an Glühwürmchen, die sie wiederum daran erinnern, wie Mrs Lanie an dem ersten Abend ohne Owen vorbeigekommen ist. Annie schwamm in einer trostlosen Benommenheit, immer nahe daran, in unbegründetes Gelächter auszubrechen, als wäre alles nur als komplizierter Scherz zu verstehen. Sie saß auf der vorderen Veranda und sah den Glühwürmchen zu, als Mrs Lanie zu ihr stieß. Die längste Zeit saßen sie einfach so da, lauschten dem Quaken der Frösche und dem Zirpen der Grillen am See und unter den dunklen Rändern der Veranda. Hinter ihnen lag im Licht der Haustür Detour. »Ich weiß genau, wie Sie sich fühlen, meine Liebe«, sagte Mrs Lanie schließlich. »Jeder weiß, dass ich meinen Mann an den Herrn verloren habe. Aber was die meisten nicht wissen – ich hatte schon einen anderen, bevor er mir begegnete.« Sie streichelte Annies Hand mit ihren papiernen Fingerspitzen. »Er hat mich aus freien Stücken verlassen«, sagte sie. »Und ich weiß nicht, was schlimmer ist, nein, wirklich nicht, ganzehrlich. Ein endgültiger Abschied aus der Hand unseres Herrn oder sich ein ganzes Leben fragen, ob er je zurückkehrt.«
    Riesige Hagelkörner haben einige der oberen Früchte getroffen. Der Boden ist übersät mit gequetschten Tangelos zwischen zerbrochenen Zweigen und schmelzenden Eiskugeln. Annie weiß, dass sie die niedrig hängenden zuerst pflücken muss, die frostempfindlicheren, aber unwillkürlich versucht sie, auch möglichst viele der vom Hagel beschädigten weiter oben zu erwischen. Trotz der dicken Schale sind Tangelos doch erstaunlich empfindlich.
    Immer wieder piksen sie winzige Hagelkörnchen ins Gesicht, wenn sie hochsieht. Sie greift schneller zu, packt mal die kugeligen Früchte mit der behandschuhten Hand, dann wieder nimmt sie über ihrem Kopf behutsam den Pflücker zu Hilfe, um dann alle Tangelos in die Kiste zu legen. Ausstrecken, bücken, umdrehen. Die Kisten füllen sich allmählich, und doch gibt es noch so viele Bäume. Nach zwanzig Minuten sind ihre Hände schon steif und schmerzen vor Kälte. Vielleicht bleibt der Frost noch ein paar Tage aus. Lange genug, um das Gros der Ernte sicher in Mrs Lanies Scheune zu schaffen.
    Er hat sie geheiratet, Annie. Jetzt ist es vorbei. Schluss. Aus.
    »Calder hat sich das selbst eingebrockt«, sagt sie plötzlich zu den Bäumen. »Seinetwegen hab ich die Jungs bewusstlos geschlagen«, fügt sie hinzu, als ob die Vorfälle in irgendeinem Zusammenhang stünden. Sie prüft eine Tangelo, um über deren Schicksal zu entscheiden. »
Josh
.« Ihre Stimme überdehnt sich wie die des jungen Mannes im Radio neulich und mutiert zu einer anderen, die nicht passt. Sie wirft die Tangelo endgültig in die Kiste. Sie will seinen Namen noch einmal aussprechen, unterdrückt ihn aber, doch die damit verbundene Emotion steigt in ihr auf wie eine Blase. Sie packt einen Ast mit der Faust und lässt das Kinn auf ihrer Schulter ruhen. Nach einer kleinen Verschnaufpause arbeitet sie weiter.

FÜNF
    Vor achtundzwanzig Jahren nahm sich Annie ein Steakmesser aus der Küchenschublade und schlich aus der mit Fliegengitter gesicherten Veranda ins Freie. Mit dem Messer in der Vordertasche ihrer Overall-Shorts wartete sie bei der Autoreifenschaukel vor dem Haus auf Calder. Es war Sommer, was bedeutete, dass sie wieder Pfirsiche für Mr Peterson pflücken müssten. Es bedeutete vier Stunden am Tag rutschige, riskante Leiterrennen in der Hitze, während sie wetteiferten, wer seine Kiste zuerst voll hätte.
    Während ihrer Schicht erwähnte Annie das Messer nicht. Tatsächlich hätte sie es beinahe vergessen, bis sie auf der staubigen Straße nach Hause gingen und sie »Ey, Spasti!« von hinten hörte. Eine Brise ließ den Gestank von Schweinefarm, Schweiß und öligem Teenagerhaar herüberwabern.
    Annie und Calder waren keine Teenager. Sie waren zwölf und elf Jahre alt, und sie legten einen Zahn zu.
    »Ich rede mit dir, Spasti«, sagte einer hinter ihnen.
    Annie drehte sich zu
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